Jesuiten 2011-2

Juni 2011/2 Jesuiten 9 Lebensgeschichte. Manchmal hört man sagen: Beim Priester sei Gott in diesem innersten Kreis zuhause. Ich halte es für Ideologie, wenn man sagt, Gott fülle die Lücke aus. Er füllt sie gar nicht aus, sondern er hält sie gerade unausgefüllt. Gott ist der tragende Grund aller menschlichen Beziehungen und kein Lückenbüßer für fehlende menschliche Nähe. Es gibt auch nichts, das dem Priester die Abwesenheit eines geliebten Menschen ersetzen kann, und man soll das auch gar nicht versuchen; man muss es einfach aushalten. Das mag zunächst sehr hart klingen, aber es ist zugleich ein großerTrost. Denn indem die Lücke wirklich unausgefüllt bleibt, verweist sie den Priester darauf, dass er diejenige Erfüllung, die er sich vielleicht erträumt, nirgendwo in dieser Welt finden wird. Lieben wie Jesus von Nazareth Der Priester wird sich in der Weise, wie er seine Liebesfähigkeit lebt und „Liebesbeziehungen“ gestaltet, an der Person Jesu ausrichten. Jesus kannte keine Berührungsängste. Er war fähig zu tiefen Gefühlen und drückte sie differenziert und situations-angemessen aus. Für Jesus gab es auch keinenWiderspruch zwischen der Liebe zu Menschen und der Liebe zu Gott.In unserer menschlichen Sicht mögen wir vielleicht annehmen: je mehr wir Gott lieben, desto weniger Platz in unseren Herzen wäre für die Liebe zu einem Menschen oder zu den Menschen – oder umgekehrt: wenn wir einen Menschen aus ganzem Herzen lieben, dann wäre da immer weniger Platz für Gott. In der Sichtweise Jesu trifft genau das Gegenteil zu. „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten – ein neues Gebot gebe ich euch: liebt einander – daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr einander liebt“, sagt er seinen Jüngern: Gottes- und Nächstenliebe durchdringen sich und interpretieren sich gegenseitig, ohne in eins zu fallen. Sie sind „unvermischt und ungetrennt“. Hermann Kügler SJ © jarna Konzentrische Wellen

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