Jesuiten 2011-2

Juni 2011/2 Jesuiten 17 der, eine Brücke zu behalten, die nicht selbst wieder bezweifelt werden muss. Es kam eine sehr schmerzliche Zeit der Unentschlossenheit von Franz und der Verzweiflung von Inge. Doch die beiden trennten sich nicht.Wir redeten oft darüber, ich alleine mit Inge; Franz alleine mit mir. Ich hätte völlig verstanden, wenn Inge die Scheidung eingereicht hätte. Was sie hinderte, war ihre Vorstellung von einer Ehe, zu der sie vor Gott Ja gesagt hatte. Was ihn hinderte, war das Empfinden, eine Frau zu verlieren, mit der er gemeinsam viel Gutes erfahren und zwei Kinder groß gezogen hatte.Würde aber seine Liebe groß genug sein, ganz und nicht geteilt bei ihr zu bleiben? Hatte er sie nicht doch zu früh und unerfahren geheiratet? Und würde ihr Misstrauen ein Ende finden, wenn er umkehrte und sie umVerzeihung bat? Wir haben in getrennten Gesprächen immer wieder versucht auszuloten, ob diese Kraft der Verzeihung und der wieder zu entwickelnden Liebe reichen kann, es wieder miteinander zu versuchen. Franz dachte lange – ich meine, so sind wir Männer manchmal –, wenn er nur umkehrt, dann sei alles wieder in Ordnung. Dann könne alles wieder gut und von vorne beginnen. Aber er musste verstehen – und das konnte ich ihm besser als Inge erklären –, dass das nicht so wäre, sondern dass – selbst wenn sie ihm verzeiht –Verwundungen zurück bleiben, die sich über Jahre hinweg als Unsicherheit und Zweifel, ja als Misstrauen bei Inge erweisen könnten. „Ja, aber ich liebe sie doch!“ meinte er. Es fiel ihm schwer, dass er, auch wenn er sich wirklich von der anderen Frau trennt und Inge künftig treu bleibt,Anlass für Zweifel bei Inge sein würde. Was bleibt von einer solchen Liebe? Inge musste sich Gedanken machen, dass ihre Enttäuschungen und vielleicht ihre künftigen Zweifel nicht Gegenstand vonVorwürfen sein dürfen, um nicht das kostbare Geschenk einer über die Verwundungen hinweg wieder aufkeimenden Liebe zu gefährden. Die ersten Monate nach der Versöhnung waren für Franz und Inge Monate der vorsichtigen Schritte, des zögerlichen Annäherns, einer Zärtlichkeit, die nur tastend gewagt wurde.Was von der alten Liebe blieb, war die Hoffnung, dass es eine zweite Chance gibt und dass auch aus Ruinen neue Heimat entstehen kann, wenn Menschen sich das zutrauen.Was von der alten Liebe blieb, waren die Erfahrungen, dass die beiden sich nicht gleichgültig gewesen waren und daher die Verwundungen auch wirklich weh taten und weiter weh tun können. Sie mussten lernen, die Verwundbarkeit als Teil ihrer Liebe zu verstehen. Aber es war aus der kleinen Pflanze einer neuen Liebe eine Erfahrung gewachsen, die sehr viel wert ist. Denn wo wir umkehren können und wo wir Verzeihung gewähren und annehmen lernen, da ist eine geprüfte und dem Sturm abgerungene Erfahrung: Wir können mit Gottes Hilfe einander weiter vertrauen. Jörg Dantscher SJ

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