Jesuiten 2011-4

Dezember 2011/4 Jesuiten 11 all dem notwendigen Detailwissen hat nun mal nur der Körper des Klienten. Es ist diese Haltung, die dann auch Klienten hilft, ihr Inneres zu öffnen und Vertrauen zu fassen – besonders gegenüber ihrer eigenen Erfahrung. Die Absichtslosigkeit und Offenheit des Therapeuten und des Klienten ermöglichen einen Blick über den eigenen, bekannten Tellerrand hinaus und das Verweilen mit inneren Regungen, die viel weiter und tiefer als Worte reichen. In dieser Atmosphäre finden dann auch heikle Themen ihren richtigen Ort. Sowie ich allerdings in mich oder andere eindringen, wissen, verändern und helfen will, verschließt sich der innere Erlebnisraum. Nur durch absichtsloses Dabeisein öffnet sich das Körperwissen und beschenkt uns mit Einsicht und den nötigenVeränderungsschritten. Der Focusingtherapeut setzt bei all dem auf das innere Streben zum „Heilsein“ und „Entwicklung“, auf die Intentionalität, die unserem Leben innewohnt. Diese körperliche Kraft strebt nach Lösungen und hat die Eigenschaft, den ganzen Menschen in seiner gegenwärtigen Situation mitzunehmen und ihm gerecht zu werden. Der spirituelle Oberton Dieses innere Streben hat von sich aus die Kraft zur Erfahrung des nächsten „stimmigen Schrittes“ auf diesem Weg. Der Schritt wiederum wird in der Regel von einem Gefühl des „Ganz bei mir“ getragen, von „Sinnhaftigkeit“ und ein „Vorwärtsgetragenwerden“, von energetisierendem, entspannendem Empfinden und von ganzheitlichem Verbunden-Sein. Diesen Aspekt des Veränderungsprozesses nennt Gene Gendlin, der Gründer des Focusings, „spirituellen Oberton“. Damit will er hervorheben, dass in jedem stimmig erlebten Schritt ein größeres Ganzes mitschwingend erlebt werden kann. Focusing ist nicht identisch mit Gebet oder Meditation. Hier wie dort kann ich aber Erfahrungen mit meiner eigenen innerenWelt machen und Kontakt zu einer anderen aufnehmen, mit dem Grundstoff, der über mich hinausweist. Beide Wege haben mit inneren Prozessen und Intuition zu tun. Der Christ wird auf seinem Weg primär die Frage nach der Begegnung mit Gott stellen, nach seiner persönlichen Berufung – seiner Lebenslinie – und wie er diese leben kann. Focusing hilft in den inneren Erfahrungsraum einzutreten und beschreibt, wie man sich in diesem inneren Raum verhalten kann. Es hilft dem Klienten eine kleine Zeit in einer einfachen, freundlich-neugierigen Zuwendung zu sich selbst und seinem inneren Erleben zu verbringen und dies in Sprache zu fassen. Der Therapeut nutzt dabei Grundhaltungen und Rüstzeug, das auch in der geistlichen Begleitung eingesetzt werden kann.

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