Jesuiten 2011-4

16 Jesuiten Schwerpunkt: Bewegungen der Seele Schwerpunkt Ethos Geistlicher Begleitung Wenn etwas nur noch gelobt wird, wenn kaum kritische Stimmen zu hören sind, ist eine gewisseVorsicht durchaus angebracht. Geistliche Begleitung innerer Regungen und Bewegungen ist ein Instrument, und wie jedes Instrument ist sie zweischneidig. Sie kann zum Besten und zum Verderben eingesetzt werden. Anders als viele andere Instrumente, deren Einsatz recht sichtbar von statten geht, steht Geistliche Begleitung jedoch in einem besonderen Gefährdungsszenario. Sie operiert im Verborgenen: Zwei Menschen sprechen hinter verschlossenenTüren miteinander und vereinbaren Stillschweigen. Sie setzt eine asymmetrische, gestufte Beziehung voraus: Einer lässt sich begleiten, der andere begleitet und wird selbst nicht Thema im Gespräch. Derjenige, der begleitet, kann in keiner Weise von außen kontrolliert werden. Er/sie reflektiert sein/ihr Handeln ausschließlich selbstbestimmt und erfährt nur das Korrektiv, das er/sie selbst sich sucht. Dazu kommt der spezielle Fokus: innere Bewegungen der Seele begleiten heißt, einen Zugang eröffnet zu bekommen zum Intimsten der Identität eines Menschen. Es geht um die ganz feinen Strukturen der Persönlichkeit, deren Veränderung jedoch erhebliche Folgen haben kann. Nun ist dieses Gefährdungsszenario keineswegs einzigartig. Geistliche Begleitung teilt es mit vielen helfenden Professionen, insbesondere natürlich mit der Psychotherapie und der Medizin. Seit dem Eid des Hippokrates begegnet die Medizin dieser Herausforderung – und in den letzten Jahrzehnten übernehmen die anderen freien Professionen zunehmend diese Vorgehensweise – durch eine Selbstverpflichtung auf ein Berufsethos. Geistliche Begleitung tut gut daran, sich dieser Vorgehensweise anzuschließen. In den Ausbildungen wird die Frage des Ethos schon immer unter den Stichworten „Nähe und Distanz“ und „Rolle und Aufgabe des Begleiters“ verhandelt. Ausgehend von den USA ist in den letzten Jahren ein Impuls herangereift, das Ethos Geistlicher Begleitung zu kodifizieren und die Begleiter darauf einzuschwören. In Deutschland wurde kürzlich ein solcher Text von der Arbeitsgemeinschaft der Exerzitiensekretariate der Diözesen vorgelegt und ist jetzt auf Ebene der Bischofskonferenz zu diskutieren. Balance von Distanz und Nähe Einige Elemente eines solchen Ethos Geistlicher Begleitung sind im Folgenden aufgeführt. Sie dienen dem Schutz beider, des Begleiteten wie des Begleiters bzw. der Begleiterin. Sie setzen deshalb gezielt beim Beziehungsgeschehen an und versuchen, die Asymmetrie der Beziehung durch transparente und einklagbare Regeln auszugleichen.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjIwOTIwOQ==