Jesuiten 2012-1

12 Jesuiten Schwerpunkt: Entweltlichung – Verweltlichung Schwerpunkt Heilung und Heiligung der Gesellschaft „Glücklich seid ihr, die ihr die kleinen Schritte wagt und die Spannung zu den großen Zielen aushaltet. Ihr werdet durch den Mut zum Fragment den Weg zur Menschlichkeit finden.“ (Michael Fischer) Das christliche Engagement im Gesundheitswesen hat eine lange und bewährte Tradition. Bei der Fürsorge für Kranke haben Christen ihr größtes Vorbild in Jesus selber, der sich kranken und aussätzigen Menschen zuwandte und diese heilte. Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter macht darauf aufmerksam, dass die Versorgung eines Kranken oder Leidenden komplex und vielschichtig ist. Der heutige Alltag in Krankenhäusern beinhaltet medizinische und pflegerische sowie administrative Elemente mit dem primären Ziel guter und professioneller Arbeit zum Wohl des Patienten. Durch zahlreiche Faktoren sind Krankenhäuser äußerst dynamische und gleichzeitig empfindliche Schmelztiegel für Konflikte. Wie steht es dabei aber um das christliche Zeugnis in der Welt, hier: im Krankenhaus? Unterscheidet sich ein christlicher Mitarbeiter von einem nicht-christlichen Kollegen? Als Heinrich Pesch Haus machen wir im Rahmen von Führungskräftetrainings, Weiterbildungen für Ethikkomitees oder Profilschärfungsprozessen die Erfahrung, dass Arbeit im Krankenhaus gewissermaßen ständige Krisenintervention ist. Der Grund dafür liegt eigentlich auf der Hand: Mitarbeiter eines Krankenhauses treffen dort auf Menschen, die aufgrund physischer oder psychischer Faktoren aus ihrem „normalen“ Leben herausgerissen sind. Es ist daher die ständige Präsenz individuell empfundener Not, welche die Arbeit im Krankenhaus prägt und noch von hohem (zeitlichem und finanziellem) Druck begleitet wird. Auf den hl. Vinzenz von Paul, dessen Leben vom Einsatz für kranke Menschen geprägt war, geht der vielschichtige wie einfache Satz zurück: „Sorgt, so gut ihr könnt.“ Einerseits einfach, weil der Satz prägnant die Maxime aufstellt, in der Sorge keine Mühen zu scheuen. Vielschichtig andererseits, weil damit implizit Abstand genommen wird von einem Diktat der Perfektion und Allmacht. Es wird dem Umstand wertschätzend Rechnung getragen, dass das Wirken des Menschen immer fragmentarisch bleiben darf. Das „so gut ihr könnt“ rechnet gewissermaßen damit, dass man irgendwann einmal oder vor gewissen Problemen selbst eben nicht mehr kann, ja möglicherweise sogar machtlos ist.Wir dürfen uns von dem Pflichtgefühl befreien, alles zum Guten wenden zu müssen. Übrigens ist das Scheitern gegenüber diesem Pflichtgefühl nicht selten der Grund für Verzweiflung und Resignation. Umgekehrt heißt das dann aber auch, dass zum Beispiel die Spannung zwischen dem Anspruch an gute Arbeit und der Wirklichkeit wiederkehrender Momente des Scheiterns auszuhalten ist. Christen und Nichtchristen stehen vor der gleichen Aufgabe: Sich angesichts besonderer Krisen und Konflikte angemessen zu verhalten, Spannungen auszuhalten, sich selbst von überhöhten Leistungserwartungen zu befreien und entsprechende Situationen durchzustehen. Das spezifisch Christliche im Krankenhausalltag ist nicht messbar oder an nackten Zahlen ablesbar. OrdentlicheVollzüge

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