Jesuiten 2012-1

18 Jesuiten Schwerpunkt: Entweltlichung – Verweltlichung Schwerpunkt Staat und Kirche DasVerhältnis von Staat und Kirche ist wieder einmal in der Diskussion. Forderungen nach einem Ende der Leistungen des Staates an die Kirchen, der Kirchensteuer, des Religionsunterrichts an den Schulen, der Theologie an den Universitäten sind laut geworden. Gegenüber denen, die solche radikalen Forderungen erheben, gegenüber neuen Laizisten, alten Atheisten und vielen, die es nicht so genau wissen (wollen oder können), sind einige einfache und zugleich grundsätzliche Einsichten in Erinnerung zu rufen: Erstens. Der Staat des Grundgesetzes ist weltanschaulich neutral, er verficht selbst keine Weltanschauung, favorisiert keine bestimmte Religion oder Weltanschauung, um so die Religionsfreiheit seiner Bürger zu ermöglichen. Er gibt ausdrücklich Raum für die starken Überzeugungen seiner Bürger, die die Zivilgesellschaft prägen und so den Staat tragen. Er ist also kein säkularistischer Staat, also auch kein Staat der einen säkularen Humanismus befördert und Religion aus der Öffentlichkeit verdrängt! Genau das aber wollen die Laizisten mit ihren Forderungen. Die grundgesetzlich garantierte Religionsfreiheit ist zugleich die Aufforderung an die Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und ihre Mitglieder, aus dem Raum des Innerlichen, des bloß Privaten herauszutreten und den Gemeinsinn mit zu formen, an der Gesellschaft mitzubauen, also öffentlich zu wirken, „weltlich“ zu werden. Weil der Staat des Grundgesetzes nicht alles selbst erledigen kann und will, lädt er dazu ein, dass die Bürger aus ihren jeweiligen Überzeugungen heraus und nach gemeinsamen Regeln subsidiär zusammenwirken, über religiöse und kulturelle Unterschiede hinaus gemeinsam das soziale, kulturelle und politische Leben gestalten. Für einen breiten Werte-Konsens Zweitens. Für den Zusammenhalt einer pluralistischen Demokratie, einer in vielerlei Hinsicht widersprüchlichen Gesellschaft reicht offensichtlich nicht allein das aus, auf das zunächst und ganz selbstverständlich hingewiesen werden kann und muss: die gemeinsame Sprache, die Anerkennung von Recht und Gesetz, der vielgerühmte und notwendige Verfassungspatriotismus. Auch nicht die Beziehungen, die die Gesellschaftsmitglieder über den Markt und über den Arbeitsprozess miteinander eingehen. Über all dies Notwendige hinaus bedarf es grundlegender Gemeinsamkeiten und Übereinstimmungen in dem, was wir Maßstäbe, Normen, „Werte“ nennen. Es bedarf tendenziell gemeinsamerVorstellungen von der Freiheit und ihrer Kostbarkeit, von Inhalt und Umfang von Gerechtigkeit, vomWert und der Notwendigkeit von Solidarität, von sinnvollem und gutem Leben, von derWürde jedes Menschen, von der Integrität der Person, von Respekt und Toleranz usw. Dieses nicht politische, sondern weltanschaulich-moralische Fundament einer gelingenden Demokratie ist nicht einfach und ein für

RkJQdWJsaXNoZXIy MjIwOTIwOQ==