Jesuiten 2012-2

Juni 2012/2 Jesuiten 21 Schwerpunkt Bildungssatt? Erwachsenenbildung heute Ich habe lange Phasen meines Arbeitslebens als Jesuit im Kontext von Bildung gearbeitet. Studentengemeinden, in einer katholischen Begabtenförderung, in einer Schule und nun als Geistlicher Rektor in der Katholischen Akademie Hamburg. Alle diese Erfahrungen auf den berühmten einen Nenner bringen zu wollen, wäre vermessen und falsch, denn die „Orte und Zeiten“ haben sich verändert. Deshalb nur einige Farbtupfer, die sich bei meiner nachdenkenden „Arbeitslektüre“ als Überzeugungen durchgehalten haben. Die europäische Tradition der Bildung seit ihren Anfängen hatte immer auch etwas „Unnützes“ und „Übernützliches“ im Sinn. Sie wollte nie nur Ausbildung sein, sondern führte immer auch einen Aspekt des Anarchischen, des Ungeplanten, ja des Antipädagogischen mit sich. Bei aller Orientierung auf Ziele und Curricula waren für sie die Neugierde, das Ungeplante, das Überraschende ohne Absicht wesentlich. Christlich gewendet könnte man sagen: Es gibt das Unzerstörbare im Menschen, ob jung oder alt, das es in der Bildung zu respektieren und zu pflegen gilt. Bildung war für die katholische Mentalität eigentlich nie rein bürgerliche Bildung. Im 19. Jahrhundert war das Bildungswesen protestantisch dominiert und geprägt. In dieser Zeit hatte die katholisch geprägte Bildung einen „handwerklichen“ Charakter, auch als Chance zum gesellschaftlichen Aufstieg in einer nicht eben freundlichen Umgebung. Die Zeiten haben sich geändert. Heute steckt die Bildung in der Gefahr, nur noch zu einem Element der Statusverteidigung zu werden und dem Statuserhalt zu dienen. Dennoch: Ein Zug zum „HandwerklichPraktischen“ im Sinne der Frage:Wie lebt man denn das? sollte auch heute nicht untergehen. Ich würde es die Frage nach dem Elementaren und Wesentlichen des Lebens nennen, verbunden mit der Kompetenz, Einsichten und Wissen auch im praktischen Leben zu bewähren und ihnen eine Stil- und Verkörperungsform zu geben. Man könnte das wohl eine Kompetenz nennen, auch in widersprüchlichen, unsicheren und zerrissenen Situationen und Zeiten ein verantwortliches Leben mit Anstand zu führen. Da das nicht allein unter der Leselampe im Sessel geschehen kann, bedarf es der Mitmenschen und der Pflege der Institutionen, die einen Halt und eine Orientierung auch für andere geben. Bei aller Betonung individueller Bildungsprozesse gehört für mich der Sinn für die Bedeutung von Institutionen zu einem wichtigen Bestandteil von Bildung in der Kirche. Für wen? Und mit wem? – Diese beiden Fragen bleiben für mich zentral im Zusammenhang auch heutiger kirchlicher Bildung. Derzeit leben wir auf einem großen Bildungsmarkt und müssen uns oft wie Konsumenten verhalten. Aber: auch wenn wir die Buchstaben der Zielsetzungen und des Erfolgs recht gut gelernt haben, ob wir damit auch gelernt haben, das Leben und dessen Zeit zu lesen, ist damit noch nicht gesagt. Ob es nicht einen gebildeten Dilettantismus gibt oder geben sollte – eine spannende Frage? Ernst Bloch hat einmal gesagt: „Religion hat selten vor Dummheit bewahrt, immer aber vor Banalität.“ Kein schlechtes Motto für eine kirchliche Bildungsarbeit heute. Hermann Breulmann SJ

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