Jesuiten 2012-4

8 Jesuiten Schwerpunkt: Virtuelle Welt Schwerpunkt Mailgewitter & Twitterstürme Kony 2012 1987 – Erste Meldungen über einen Joseph Kony und seine Lords Resistance Army (LRA) dringen nach Europa. Ein brutaler Warlord, der Kinder entführt und als Soldaten und Sexsklavinnen missbraucht. Nur: Afrika ist weit – wen kümmert’s? 2005 – Der Internationale Strafgerichtshof erlässt Haftbefehle gegen Joseph Kony und einige LRA-Kommandanten. Die Anklage: Detaillierte Listen mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Nur: Wen interessiert schon, was Juristen schlimm finden? 2012 – Die Nichtregierungsorganisation Invisible Children stellt, ausgehend von der Geschichte eines ehemaligen Kindersoldaten Konys, ein Video auf YouTube. Innerhalb weniger Tage wissen Millionen Menschen, wer Joseph Kony ist und warum er aus dem Verkehr gezogen gehört. Es erhoben sich Mailgewitter und Twitterstürme.Tausende Menschen begannen Briefe zu schreiben, Politiker zu nerven, Plakate zu kleben und zu fragen, warum man da nicht schon längst was getan hat. Und es bewegte sich: die US-Regierung, die Afrikanische Union, sogar der UN-Sicherheitsrat. Nicht nur „Kony 2012“, auch die „Arabellion“ oder die Kampagne „Steuer gegen Armut“ für eine Finanztransaktionssteuer sind Beispiele dafür, wie die Sozialen Medien Menschen informieren und mobilisieren können. Denn: Natürlich darf das Engagement nicht beim „Clicktivism“ stehen blei - ben. Ziel muss es stets sein, die Information in konkrete Aktion umzuwandeln – was unterschiedlich gut gelingt. „Kony 2012“ hat in Deutschland keine vergleichbare Resonanz gefunden wie in anderen Ländern, auch wenn deutsche und afrikanische Jesuiten sich sehr dafür einsetzten. Aber Erfolge der FinanztransaktionssteuerKampagne oder Bemühungen, Spekulation mit Lebensmitteln zu verbieten, belegen, dass auch in Deutschland das Web 2.0 aus der gesellschaftspolitischen Mobilisierung nicht mehr wegzudenken ist. Da mehr und mehr Menschen in Deutschland „online“ sind, gibt es wohl kaum jemand, der nicht schon mit EPetitionen, kreativen, neugierig machenden Kurzvideos, „Infotainment“, provozierenden Kampagnen über Facebook,Twitter, campact und AVAAZ mit „Fünf-Minuten-Infopacks“ konfrontiert worden ist. Man mag das für unseriös halten, weil komplexe Anliegen nicht in der nötigen Differenziertheit behandelt werden. Dabei übersieht man aber die Notwendigkeit, im Meer an Informationen zunächst Aufmerksamkeit für sein Anliegen zu erhalten. Hat man diese Aufmerksamkeit, kann man im zweiten Schritt differenzierte Information und Handlungsmöglichkeiten anbieten. Insofern können Social Media ein Aufhänger und Ansatz für seriöse Arbeit sein. Natürlich kann man auch weiterhin mit klassischen Medien und Kommunikationsmitteln die eigene „Klientel“ erreichen. Die Gefahr ist, dass die zirkulierten Informationen dann im Kreis der „üblichen Verdächtigen“ verbleiben. Mit den Mitteln des Webs 2.0 fällt es leichter, dem eigenen Milieu Fernstehende zu interessieren und parteien- und gruppen-

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