Jesuiten 2012-4

Dezember 2012/4 Jesuiten 3 terien finden, anhand derer wir Realität „messen“ können. Anders gefragt:Was macht Realität zur Realität? Fangen wir von vorne an: Wir haben eine Erscheinung, ein Phänomen, und einen, der die Erscheinung wahrnimmt, ein Erkennendes und ein Erkanntes. Kommt beides zusammen, dann „ist“ etwas für den Erkennenden. Das scheint zunächst keine Frage zu sein. Doch wie lässt sich das überprüfen, wenn wir es nicht einfach glauben wollen? Wir müssten uns über die Relation Erkennendes – Erkanntes erheben und sie von außen betrachten. Aber das führt ebenso wenig zu einer Objektivität, weil damit nur die erste Relation wiederholt wird. Diese Prüfung scheitert. Ebenso alle anderen möglichen Prüfungen, denn immer brauchen wir eine kritische Instanz. Und diese muss ein Phänomen erkennen und beurteilen. Damit fallen wir immer wieder zurück in die Ausgangslage. Übertragen wir das auf die virtuellen Welten, so ergibt sich Erstaunliches.Wir können auch ihre Objektivität nicht letztlich verneinen. Wenn zwei oder mehreren Personen eine solche Welt als real erscheint, ist sie für diese real.Wir können ihnen die Objektivität nicht einfach absprechen. Aber umgekehrt gilt dasselbe. Die Objektivität dieser Welten lässt sich auch nicht beweisen. Es bleibt also – so könnten wir sagen – ein Glaube.Wir müssen, ob wir wollen oder nicht, an die Realität einer „Realität“ glauben. Der Glaube daran ist es letztlich, der ihre Wirklichkeit verbürgt. Aber das gilt nur für die, die an die eine oder andere Realität wirklich glauben. Für die, die es nicht glauben, bleibt es Schein, Irrtum, Phantasie. Das gilt nicht nur für subjektive Wahrnehmungen oder virtuelle Welten. Es gilt in gleicher Weise auch für unsere so unverrückbar dastehende Alltagsrealität. Will man den Begriff des Glaubens in diesem Zusammenhang vermeiden, weil er religiös besetzt ist, bietet sich der Begriff der Identifikation an. Wir identifizieren uns mit dem Wahrgenommenen, beziehen es auf unser Ich. Diese Bindung ist so stark, weil wir das eine ohne das andere nicht denken können. Ja sogar, weil es das eine ohne das andere gar nicht „gibt“. Die Identifikation des Ich mit dem Wahrgenommenen erzeugt erst die „Realität“, des einen wie des anderen. Übertragen wir die gewonnenen Ergebnisse auf virtuelleWelten, wie wir sie im Computer- zeitalter finden, so müssen wir differenzieren. Es gibt Welten, die an bestimmte Kontexte gebunden sind. So z. B. wird wohl niemand die Welt eines Computerspiels restlos als seineWelt betrachten. Nun gibt es aber im sogenannten Cyberspace künstliche Welten, mit denen sich manche so stark identifizieren, dass sie für jene zur (einzig wahren) Realität werden.Dann entstehen ein psychologisches und ein soziales Problem. Denn die Alltagsrealität bleibt bestehen. Und sie bleibt der Orientierungspunkt, an dem wir uns ausrichten müssen. Auch wenn man denWahrheitsgehalt dieses Alltäglichen philosophisch in Frage stellen kann und muss, entbindet uns das nicht davon, in dieser Welt zu leben und erlaubt uns nicht in eine andere, nach unseren Neigungen selbst zusammengestellte,zu flüchten. Betrachten wir diese verschiedenenWelten, so verschwinden auf einer grundlegenden Ebene die Unterschiede. Die Konstruktionsmerkmale der anderen Welten sind dieselben wie die unserer alltäglichen Welt. Die virtuellen Welten erscheinen als eine Simulation der „alten“ Welt. In den neuen Welten begegnet uns alles wieder, was wir aus der „alten“ Welt kennen. An einer Frage aber unterscheiden sich die „alte“ Welt und die neuen Welten. Es ist die Frage nach ihrem Ursprung. Die virtuellen

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