Jesuiten 2013-1

Den Menschen wird Gerechtigkeit widerfahren, denn Gott ist ein Gott des Lebens. Die apokalyptische Frau An der strengen Waschbeton-Wand von Regina Martyrum gäbe es für das Auge keine Orientierung – wäre da nicht die in Gold gefasste Plastik. Sie verlockt zum Nähertreten. Diese Plastik, geschaffen von Fritz Koenig, mit ihrer strengen Formsprache und dem archaischen Ausdruck, ist ein Ehrfurcht gebietendes Gegenüber. An ihr kommt niemand vorbei. Apokalyptische Frau – so ihr Titel. Mit großer Dramatik schildert der entsprechende biblische Text (Offb 12) die Bedrohung der gebärenden Frau durch den Drachen: Während sie in Geburtswehen schreit, wartet er darauf, das Neugeborene verschlingen zu können. Das Kind aber, ein Sohn, wird zu Gott hin entrückt. Nach dem Kampf des Ungeheuers mit dem Erzengel Michael stürzt der Drache auf die Erde und verfolgt die Frau unerbittlich bis hin zu ihrem Zufluchtsort in der Wüste, um sie zu vernichten. Doch die Schöpfung steht auf Seiten der Frau: mit Adlersflügeln ausgestattet kann sie entkommen; Wasserfluten, die der Drache hinter ihr her speit, werden von der Erde aufgenommen. Der biblische Text entstand ganz unter dem Eindruck der drohenden Verfolgung durch den römischen Kaiser Domitian (81 bis 96 n. Chr.). Der Verfasser selbst und auch die Adressaten waren massiver Gewalt ausgesetzt. Diese Erfahrung, willkürlicher Gewalt ausgeliefert zu sein, schlägt die Brücke zu Maria Regina Martyrum als Gedenkkirche zu Ehren der Menschen, die im Kampf für Glaubens- und Gewissensfreiheit während der Hitler-Diktatur ermordet wurden. Es waren knapp dreitausend Menschen, die im nahe gelegenen Gefängnis Plötzensee hingerichtet wurden. Doch die Offenbarung des Johannes bleibt nicht bei der Beschreibung des Grauens stehen. Der Schreiber entwirft ein Hoffnungsbild: den Menschen wird letztlich Gerechtigkeit widerfahren und jede Träne wird abgewischt werden, denn Gott ist ein Gott des Lebens. Diese Botschaft begegnet aller Resignation. Das Bild greift die konkrete Erfahrung von Frauen auf. Im Akt des Gebärens, ein Geschehen zwischen Tod und Leben, bewegen sie sich in der Spannung von Geschehen-Lassen und aktivem Mittun. Aller Gewalt, aller Ungewissheit, allen widrigen Umständen zum Trotz sind sie es, die sich immer und immer wieder auf die Seite des Lebendigen stellen und neues Leben hervorbringen. Mit der Trotz- 12 Schwerpunkt Jesuiten n März 2013 n Die Sprache der Steine

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