Jesuiten 2013-1

geopfert haben. Meines Vaters Freund und Leidensgenossen Alfred Delp SJ wird dort gedacht, und in den letzten Monaten ist dort auch eine Platte für meinen evangelischen Vater gelegt worden. Der ökumenische Geist des Widerstands lebt also weiter. Mein Vater hat konsequent gegen die Nazis gekämpft und hat mit seinen Freunden im Widerstand die Umrisse eines neuen Deutschlands skizziert, das demokratisch, friedfertig und europäisch sein sollte. Die Welt, die in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden ist, würde mein Vater in ihrer Grundstruktur sicher bejahen. Ich schulde meinem Vater Dank für ein weiteres Erbe: sein gefestigter Glaube. Mein Vater ist zwar christlich erzogen worden, stand aber der Kirche als jüngerer Mann nicht besonders nahe. In den Jahren vor Ausbruch des Krieges hat er entdeckt, dass es dem Regime nicht gelang, die Kirchen völlig unter ihre Kontrolle zu bringen. Seine Freunde und er wollten ein bewusst christliches Deutschland schaffen und unterhielten enge Kontakte zu oppositionellen Bischöfen beider Konfessionen. Das Jahr in Haft und vor allem die Monate im Gefängnis Tegel zusammen mit Alfred Delp und Eugen Gerstenmaier, die mit ihm vor Gericht standen, gipfelte dann in der Verhandlung mit der Feststellung des Richters Freisler, dass das NaziRegime den ganzen Menschen forderte und deshalb mit dem Christentum unvereinbar sei. Meine Eltern hatten etwa vier Monate Zeit, sich auf seinen bevorstehenden Tod vorzubereiten und fanden Trost in der Bibel und Zuversicht in ihrer Zusammengehörigkeit über den Tod hinaus. Für mich ist es trostreich zu wissen, dass in Zeiten der Not der Glaube eine so wichtige Stütze sein kann. Kreisau hat dank des Opfers meines Vaters und seiner Freunde eine neue Bestimmung gefunden: als verbindender Ort für Deutsche und Polen, die beide unter Diktaturen im letzten Jahrhundert gelitten haben und beide eine andere Zukunft erhofften. Das heutige Kreisau, jetzt Krzyżowa, ist aufgebaut worden als Begegnungsstätte für Menschen aus Ost und West, damit die nächsten Generationen in Europa ihre Probleme friedlich zu lösen lernen und wir die unheilvolle Geschichte Mitteleuropas nicht wiederholen müssen. Helmuth Caspar von Moltke 15 Jesuiten n März 2013 n Die Sprache der Steine Foto: Ursula Engel

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