Jesuiten 2013-1

Gotteserfahrung im Raum Kirchbau als Einführung in einen geistlichen Weg Man betritt die Kirche der „Königin der Märtyrer“ durch einen scharf-kantigen Glockenturm, der an einen Wachturm erinnert. Dahinter öffnet sich ein leicht abfallender Hof. Gepflastert und gefasst von dunklen Basaltkieselplatten ist er geprägt durch eine Atmosphäre zwischen Appellplatz und Gefängnishof. Die Architektur „spielt“ einem nichts vor, noch gängeln Illustrationen oder Schilder die Wahrnehmung des Eintretenden. Allein die unterkühlte Nüchternheit und die düstere Weite des Platzes lassen langsam die langen Reihen zum Appell stehender zerlumpter Gestalten aus der Erinnerung aufsteigen, die man von Fotografien der Konzentrationslager kennt. Auch der Kreuzweg von Otto Herbert Hajek (Stuttgart) fügt sich ein. Seine ineinander verkanteten, spitzigen Balken unterstützen zunächst fast ornamental den Eindruck des Verbarrikadierens ohne Ausweg. Lässt sich der Blick aber fangen, dann löst sich der stählerne Verhau auf in stürzende oder in den Himmel starrende Kreuze. Es entsteht ein Weg der Verurteilungen, der Verletzungen und des Sterbens, der sich erst ganz zuletzt wieder zu einem Gesamtbild verbindet, zu dem Weg einer Figur, die uns in den Hof begleitet und die vielen Kreuze in das eine Kreuz aufnimmt zu einer immer wiederkehrenden Passion. Am Ende dieses Weges erhebt sich fast schwebend die Kirche, ein Quader nur auf zwei Wandscheiben und auf der Umfassungsmauer ruhend und selbst an düsteren Tagen strahlend in Carrara-weißem Waschbeton, ein himmlisches Jerusalem über apokalyptischer Bedrängnis. Über dem Zugang erstrahlt wie ein Siegeszeichen golden die apokalyptische Frau von Fritz Koenig. Hinauf zieht es den Eintretenden über eine steile und freistehende Treppe. Geht man stattdessen zunächst an der Treppe vorbei auf eine Wand aus geschwärzten Scheiben zu und tritt ein in die Unterkirche, wird man umfangen von der dunklen Kühle einer Krypta. Sie liegt fast ebenerdig. Wer könnte nach den Gräueln des 20. Jahrhunderts leugnen, dass die Welt ein Haus der Toten ist? Seine Mitte findet der Raum in der Pietà von Fritz Koenig: Dunkel heben sich weich fließende Konturen einer mütterlichen Gestalt ab vom warmen Gegenlicht einer rötlich-goldenen Wandscheibe. Erinnerungen an mütterlichen Trost werden geweckt und eingeordnet als dunkles Abbild einer größeren bergenden Wirklichkeit. Zu ihren Füßen finden die teils leeren Gräber ihren Platz, wenige eingravierte Namen stellvertretend für all die hingerichteten Blutzeugen des Widerstandes. Der Hass des Naziterrors wollte jede Erinnerung auslöschen. Wenn aber jeden Mittag die Karmelitinnen hier ihr „Schenk Deinen Frieden!“ singen, dann geschieht im Herzen der Kirche das mütterlich-bergende Gedenken. Es gibt den Toten ihre Würde wieder, Söhne und Töchter zu sein mit Namen und Erinnerung. 2 Schwerpunkt Jesuiten n März 2013 n Die Sprache der Steine

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