Jesuiten 2013-2

Sinti und Roma Das europäischste aller Völker In Europa leben etwa zwölf Millionen Sinti und Roma. Sie sind die größte Minderheit und jene ethnische Gruppe, die am schnellsten wächst. Die letzten vier Jahre habe ich in Sofia/Bulgarien im Rahmen der Stiftung „Concordia“ das Jugend- und Sozialzentrum „Sveti Konstantin“ aufgebaut und geleitet. Der überwiegende Teil der 80 Kinder und Jugendlichen, die bei uns wohnen, kommt aus Roma-Communities. Ich begegne in ihnen Menschen, in denen ein großer Reichtum liegt, ein Schatz, der Europa gut tut. Wie im Dschungel Im EU-Vergleich hat Bulgarien mit ca. 11% der Bevölkerung – das sind eine Million Menschen – einen der höchsten Anteile an Roma und Sinti. In ländlichen Gegenden konnten sich manche Berufe, die für Roma typisch sind, länger halten als in Mitteleuropa: Scherenschleifer oder Kesselflicker; auch Handarbeiter wie Korbflechter und Besenbinder. Doch inzwischen hat das Reparieren angesichts der billigen Massenfertigung auch in osteuropäischen Ländern keinen Sinn mehr. Auf der Suche nach einem besseren Leben zieht es daher auch sie in die Großstädte. Dort lebt inzwischen mehr als die Hälfte aller Sinti und Roma in illegalen Siedlungen, den sogenannten Mahalas. Auf dem Papier hat sich ihre rechtliche Situation seit den neunziger Jahren zwar gebessert, doch in den Armenvierteln ist wenig davon zu spüren. Das Leben in der ständigen Ungewissheit bestimmt ihr Lebensgefühl. Ein Roma-Jugendlicher hat das Leben in den Großstädten mit einem Dschungel verglichen, in dem die stärkeren Tiere die schwächeren fressen. Unsere SozialarbeiterInnen besuchen wöchentlich die Mahalas und bringen den Familien Kleidung und Essen. Die Kinder laufen, auch wenn es kalt ist, barfuß im Dreck herum. Die durchschnittliche Lebenserwartung in den Ghettos beträgt 52 Jahre. Europa am Boden der Realität Nach den Krisen der vergangenen Jahre ist die Euphorie um den Euro verschwunden. Wir sind auf dem harten Boden der Realität gelandet. Angesichts der Frage der Inklusion der Sinti und Roma könnten wir zeigen, dass es uns in Europa nicht nur um wirtschaftliche Interessen geht. Die Europäische Union definiert im Rahmen der Dekade von 2005 bis 2015 der „Roma-Inklusion“ vier Bereiche, denen während dieser Jahre besonderes Augenmerk geschenkt werden soll: Ausbildung, Arbeit, Gesundheit, Wohnen. In unserem Jugendzentrum in Sofia dreht sich sehr viel um die schulische und außerschulische Bildung der Kinder und Jugendlichen. 12 Schwerpunkt Jesuiten n Juni 2013 n Europa! © Benjamin Cabassot

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