Jesuiten 2013-3

Das Herz der Welt Einer Metapher auf der Spur MAGIS, das ignatianische Jugendtreffen vor dem Weltjugendtag, stand 2011 unter dem Motto „Mit Christus im Herzen der Welt“. Etwa 3.000 junge Erwachsene aus mehr als 50 Ländern nahmen an verschiedenen sozialen Initiativen teil, in denen sie mit Freude, Hoffnung, Not und Unrecht in Berührung kamen – mitten in unserer Welt, die gespalten ist durch wirtschaftliche und soziale Unterschiede, Gewalt und Krieg, durch kulturelle und religiöse Gegensätze. Wer sich im Glauben an Christus auf diese Welt einlässt, gerät „in das Zentrum einer Spannung, die uns gleichzeitig zu Gott und zur Welt zieht: fest verwurzelt in Gott, während wir zugleich in das Herz der Welt eingetaucht sind“, wie die Generalkongregation der Jesuiten 2008 festhielt (Dekret 2). Mit Christus im Herzen der Welt zu leben bedeutet, an seinem Dienst des Heilens und der Versöhnung in dieser Welt teilzuhaben. Die Metapher „Herz der Welt“ erschließt sich in ihrer tieferen religiösen Bedeutung, wenn wir in unserer Spurensuche weiter zurückgehen. 1945 schrieb der damalige Jesuit Hans Urs von Balthasar ein Christusbuch mit dem Titel „Das Herz der Welt“, das sich bis heute von anderen Betrachtungsbüchern unterscheidet. Es ist ein lyrisch-hymnischer Text, in dem er jener unauslotbaren Glaubenserfahrung Ausdruck zu geben versucht, dass Gottes Handeln mit der Welt in der Menschwerdung Jesu ihr Zentrum hat. Seine Kreuzes-Liebe überschreitet unsere engen Grenzen, weil sie die Dynamik und die Sehnsucht des menschlichen Herzens kennt. Er ist das „Herz der Welt“, das sich ungeschützt und in verschwenderischer Freude hingibt und in der Vergebung das Leben schenkt. „Das Ewige Leben erkor sich den Platz eines menschlichen Herzens. In diesem bebenden Zelt beschloss es, zu wohnen, geruhte, sich treffen zu lassen … Welche Blöße hatte Gott sich gegeben, welche Torheit begangen.“ In Christus begegnen die ewige Güte und Allmacht Gottes dem Leid der Menschen. Balthasar wollte „der so oft verkitschten Herz-Jesu-Idee die kosmische Dimension zurückgeben“, so der Klappentext. Darin trifft er sich mit seinem französischen Mitbruder Pierre Teilhard de Chardin, der schon 1920 im Aufsatz „Über die Weisen des göttlichen Wirkens im Universum“ notierte, dass Gott es auf eine geistige Weise vermag, „sich individuell im Herzen eines jeden Elements der Welt bemerkbar zu machen“. Aus dieser Formulierung entstand später der Titel seiner Autobiographie „Das Herz der Materie“. Teilhard geht davon aus, dass alles Geschaffene in dieser Welt nicht nur eine materielle, sondern auch eine geistige Dimension, eine „psychische Innenseite“ besitzt. Die Ausgabe, die Sie in den Händen halten, besteht offensichtlich aus mehr als aus Papier und Druckerschwär- 8 Schwerpunkt Jesuiten n September 2013 n Ein Herz grösser als die Welt

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