Jesuiten 2013-3

Vom Schmerzensmann im Kirchenlied zum Herz-Jesu-Tattoo Wer kennt nicht das berühmte Kirchenlied des evangelischen Dichters Paul Gerhardt: „O Haupt voll Blut und Wunden?“ Das Lied aus dem 17. Jahrhundert ist eine Übertragung des mittelalterlichen Hymnus „Salve Caput Cruentatum“ des Zisterzienserabtes Arnulf von Löwen. Das Luthertum sah sich in der Tradition der antiken und mittelalterlichen Kirche. Die Theologie eines Bernhard von Clairvaux spielt dabei eine große Rolle. Mit dem leidenden Christus mitzuempfinden ist zentral! Existentielle Erfahrungen von Krieg und Tod prägen Gerhardts frühe Jahre. Der religiöse Enthusiasmus seiner Zeit ist aber nicht nur von den verheerenden religiösen Bürgerkriegen gekennzeichnet, sondern auch von einer Frömmigkeit, die wir uns in der Moderne gar nicht mehr vorstellen können. Im Jahr 1653 erscheint dieses Gerhardtlied erstmals in einem evangelischen Gesangbuch: „Geh aus, mein Herz, und suche Freud / in dieser lieben Sommerzeit / an deines Gottes Gaben.“ Diese Innerlichkeit spielt auch für die Herz-JesuVerehrung eine wichtige Rolle. Heute hat längst eine Entwicklung eingesetzt, die mit der offiziellen Theologie gar nichts mehr zu tun hat. Die von Theologen so verpönte Stilrichtung der Nazarener wurde 2012 wieder mit mehreren Ausstellungen in Deutschland gewürdigt. Offenbar ist der etwas süßliche Stil wieder in. Einige dieser Bilder tauchen heute als Tattoos auf. Hängt es damit zusammen, dass man sich wieder nach Jesusbildern sehnt, die man zu kennen glaubt? Ziel der Nazarener war es, die Malerei der italienischen Frührenaissance neu zu beleben. Der Schmerzensmann, wie eben beschrieben, kommt im Internet nicht selten als Tätowierung zum Vorschein. Es gibt Engel auf Oberarmen, die Gottesmutter auf der Brust, das Herz Jesu auf dem Rücken oder als Fragment mit Flügeln am Handgelenk. Der englische Fußballstar David Beckham trägt stolz ein Jesus-Tattoo auf der rechten Bauchseite. „Gott ist kein Gott der Äußerlichkeiten, sondern des Herzens“ (1 Sam 16,7). Für Juden gilt ein Verbot, sich Zeichen in die Haut einritzen zu lassen (Lev 19,28). Gilt das auch für Tattoos heute? Ein junger Jesuit hat sich zur Priesterweihe in den 90er Jahren ein Kreuz zwischen die Schulterblätter stechen lassen. Sind Tattoos nun ornamentaler Kitsch? Noch 1910 sprach der Architekt Adolf Loos vom Ornament als Verbrechen an der Kultur. Diese „Seuche“ überdecke die klare Form und die reinen Gedanken eines Werkes. 2005 wurde die Mailänder Möbelmesse mit einer Inflation floraler Muster überschüttet. Das Kunstmuseum Wolfsburg hat 2012 Ornamentgrafik von Dürer bis Piranesi gezeigt und damit 20 Schwerpunkt Jesuiten n September 2013 n Ein Herz grösser als die Welt

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