Jesuiten 2014-1

„… denn ich muss heute in deinem Haus zu Gast sein. “ (Lukas 19,5) Jesus lädt sich ein. Er lässt nicht locker. Nicht irgendwann, heute, jetzt möchte er mit Zachäus gehen, ihm begegnen. Jesus möchte diesen Menschen kennenlernen, der so gar nicht in die „ehrenwerte“ Gesellschaft passt. Wo er wohnt, wie er lebt und all die anderen, mit denen er verkehrt. Ein Wagnis auf beiden Seiten. Ich muss heute bei dir zu Gast sein Vor 25 Jahren, am 2. März 1989, bekam ich die Diagnose HIV positiv aus heiterem Himmel. Für mich brach eine Welt zusammen, ich hatte keine Hoffnungen und keine Ziele mehr. Das einzige, was ich damals über diese Krankheit wusste, war, dass man daran stirbt, aber nicht, wie lange das geht. Damals war in Deutschland HIV noch nicht so verbreitet. Und wenn ich ganz ehrlich bin, dann hatte mich diese Krankheit auch nicht sonderlich interessiert. Mich trifft es doch nicht – und jetzt hat es mich getroffen. Ich lebte nach meinem Testergebnis versteckt, die einzigen Menschen, die davon wussten, waren meine Frau, sie ist zum Glück negativ, unser Ortspfarrer und die Ärzte. Nach gut vier Jahren entschloss ich mich, an die Öffentlichkeit zu gehen. Warum sollte ich mich verstecken, Menschen mit Krebs verstecken sich auch nicht. Wir leben auf dem Land in einem kleinen Ort. Ich bin hier geboren und aufgewachsen. Aber mit HIV/Aids hier zu leben, war ein Wagnis. Es gelang, was vielleicht daran lag, dass ich die Initiative ergriff und nicht der Zufall das Geheimnis an den Tag brachte. Ich bereute diesen Schritt nicht ein einziges Mal. Wir leben immer noch hier, und es geschah nichts von all den anfänglichen Befürchtungen und Ängsten. Natürlich wird auch hinter meinem Rücken geredet, aber was geht mich das Geschwätz an? Ich lebe ganz offen mit HIV, merke aber auch den Unterschied zwischen HIV und Krebs. 2005 bekam ich die Diagnose Krebs. In den Jahren mit Krebs wurde ich schon öfter gefragt, wie es mir geht, als in den ganzen Jahren mit HIV. Dass es mir gut geht, hängt sehr viel damit zusammen, dass ich mich nicht mehr verstecke. Wie oft bin ich mir schon vorgekommen wie Zachäus. Er, der auf einen Baum stieg, um Jesus zu sehen, um zu sehen, wer dieser Mensch ist, über den so viel geredet wird. Und Jesus ruft ihn vom Baum herunter, weil er bei ihm Gast sein muss, bei ihm einkehren möchte. Für mich ist der Glaube an Jesus Christus durch nichts zu ersetzen. Der Glaube an Gott trägt mich und ist mindestens so gut für meine Gesundheit wie die Medikamente, die ich jeden Tag schlucken muss. Durch ihn bekam ich die Kraft, so zu leben, wie ich jetzt lebe, ohne Ängste, aber mit sehr viel Hoffnung. Manfred Weber 12 Schwerpunkt Jesuiten n März 2014 n Zachäus

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