Jesuiten 2014-2

Vom Ausrichten Wie ein Vorzeichen für jeden Tag, besonders aber für eine geistliche Übung, setzt Ignatius das sogenannte „Vorbereitungsgebet“: „Gott unseren Herrn um Gnade bitten, damit alle meine Absichten, Handlungen und Betätigungen rein auf Dienst und Lobpreis seiner göttlichen Majestät hingeordnet seien.“ (Exerzitienbuch Nr. 46) Dieses Gebet und eine erste Ahnung des Anspruchs, der da praktiziert werden soll, sind – wie oft bei Ignatius – zuerst einmal sperrig und fremd. Eigene Deutungsversuche brachten mich nicht weiter. Erst ein Spaziergang zu den mittelalterlichen Kirchen in Erfurt öffneten mir die Augen und erinnerten mich an Erfahrungen, die ich selbst schon längst gemacht hatte. Unsere Vorfahren gaben nämlich den Kirchen eine Ausrichtung, nach Osten, zur aufgehenden Sonne hin. Durch die Gewölbe und Fenster, durch die Portale und Gänge lenkten sie die Blicke und den ganzen Menschen. Das kann jeder auch heute noch erleben. Wie von selbst richten sich die Augen auf den Altar, auf ein Bild, auf ein Kreuz. Die Baumeister beherrschten die Kunst, den Menschen auf Transzendentes, Überschreitendes zu lenken. „Er leitet mich auf rechten Pfaden, treu seinem Namen.“ (Ps 3,3) Meine Eltern brachten uns Kindern das auf andere Weise bei: Bevor wir das Haus verließen und uns auf den Schulweg machten, stellten wir uns vor unser Kreuz, das in der Diele hing, und verrichteten unser Morgengebet. Damit waren die Vorzeichen vor den Tag gesetzt. Im Getümmel von Rom suchte ich in den letzten Jahren öfters einen Ort auf, der mir half, den Kopf wieder frei zu bekommen und meine Richtung wiederzufinden. Es war eine ganz einfache Kapelle, eigentlich eine Holzhütte am Stadtrand von Rom, in der immer schon Beterinnen waren, die das gleiche suchten. Vielleicht haben Sie also schon selbst Erfahrungen gemacht, von denen das „Vorbereitungsgebet“ spricht? Ignatius wollte wohl dem Leben vieler Menschen eine Richtung geben, in dem „alle meine Absichten, Handlungen und Betätigungen rein auf den Dienst und Lobpreis Gottes hingeordnet seien.“ Das fängt bei den kleinen Dingen am Morgen an und mündet in die Gesamtrichtung des Lebens. Es ist ihm so wichtig, dass er es immer wiederholt, insgesamt an 31 Stellen. Der Originaltext macht das noch deutlicher. Ignatius spricht von „intenciones, acciones, operaciones“. Da klingen also Neigungen, Ziele, Absichten, auch Motivationen an. Die „Handlungen und Betätigungen“ können das ganze Handeln, das innere und äußere, umfassen. Wenn Sie mit einen solchen Gebet Ihren Tag beginnen und an Ihre alltäglichen Aufgaben gehen, werden Sie feststellen, dass das überraschenderweise entspannt. Es wird klar, was an erster Stelle stehen soll. Nicht mehr der Druck, wie ich rechtzeitig noch eine bestimmte Aufgabe fertigstelle; auch die Zufriedenheit meiner Vorge- 22 Jesuiten n Juni 2014 n Ignatius und Luther Geistlicher Impuls

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