Jesuiten 2014-2

Sieht man heute genauer hin, ohne die konfessionellen Differenzen hochzurechnen, dann kann man das innere Motiv erkennen, das Luther und Ignatius jeweils leitete. Es ist derselbe Geist Gottes, der die Seelen leitet und zu Gott führt. Vor diesem Grundgedanken erscheinen beide, Luther und Ignatius, als Reformer, jeder auf seine Weise. Sie gehen vom selben Grundverständnis geistlichen Lebens aus, persönlich und innerlich. Erst im Laufe des 20. Jahrhunderts beginnt man auf evangelischer Seite mit der Lektüre des Exerzitienbuches von Ignatius. Auch die katholische Theologie lernt allmählich, sich Luther und seiner Theologie vorurteilsfrei zu nähern. Mehr und mehr tritt nun die gemeinsame Ausgangsbasis beider Männer hervor, das ist die Praxis der Frömmigkeit. Auf dem Weg des gegenseitigen Kennenlernens können falsche Vorwürfe und gegenseitige Abgrenzungen überwunden werden. Hervor treten bei beiden Reformern Erfahrungen der inneren Auseinandersetzung mit Gott, die scharfe, innere Anfechtung, ein gemeinsamer heilsindividueller Ausgangspunkt. So ist heute eine Überwindung konfessioneller Einseitigkeiten, mit denen Luther und Ignatius über Jahrhunderte belastet erschienen, möglich. Wolfgang Thönissen 7 Jesuiten n Juni 2014 n Ignatius und Luther © creative commons © SJ-Bild / Müller Ignatius von Loyola, Gemälde von Jacopino del Conte, 1556 Martin Luther, Gemälde von Lucas Cranach d. Ältere, 1529

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