Jesuiten 2014-4

Ende des Arbeitstages schaffe ich es dann, langsam abzuschalten. Ich gehe für eine halbe Stunde schnellen Schrittes durch den Tiergarten oder um den Block des Diplomatenviertels. Dabei gehen mir Begegnungen und Gespräche, Erfreuliches und Unerledigtes, all die Dinge des Tages nochmals durch den Kopf. Ich schaue alles nochmals an und Gott schaut mit. Ich rede mit ihm über Probleme wie mit einem besten Freund und frage ihn nach Rat und Lösungen. Ich frage ihn, was er, Jesus, an meiner Stelle getan oder gesagt hätte: Wie hätte er sich verhalten? Das ist mein intimstes Gebet des Tages. Dabei bete ich auch für die Menschen, denen ich den Tag über begegnet bin. Wenn viel zu tun ist, wenn man ständig unterwegs ist, dann ist es besonders erforderlich, bewusste Auszeiten zu nehmen, auch wenn es nur wenige Minuten sind. Jesus zu fragen, was er an meiner Stelle tun würde, und dann weitergehen. Das ist oft schon Gebet genug und bringt mir Zuversicht und Gelassenheit. So bin ich und ist man auf dem besten Wege, dem Willen Gottes betend auf die Spur zu kommen. Mein Dienst an den Anderen, meine Verfügbarkeit für sie und mein Handeln mit ihnen und für sie ist mein Gebet, mein Gottesdienst. Auch die Herausforderungen, denen ich die Stirn bieten musste. Das zu wissen hilft mir, meine Schwächen des Tages ehrlich anzunehmen. Nicht selten komme ich erst spät abends ins Zimmer, falle alsbald ins Bett, und das abendliche Examen reduziert sich zu einem bewusst ausgesprochenen „Danke und Entschuldigung“ stellvertretend adressiert an zwei Postkarten an der Wand über meinem Nachttisch: Albrecht Dürers „Betende Hände“ mit dem Spruch „Gott sei Dank“ und einem Bildnis des Hl. Ignatius v. Loyola. Dazu streife ich mit meiner rechten Hand über beide Karten. Da spüre ich in mir eine tiefe Zufriedenheit und Dankbarkeit für den Dienst an den anderen, den mir Anvertrauten, und für Gottes Präsenz, die mich den Tag über getragen hat. Dann fallen meine Unzulänglichkeiten und Schwächen nicht ins Gewicht, da ich mich geliebt und getragen weiß, auch wenn mein Gebetsleben unvollkommen ist und immer sein wird. Felix Schaich SJ Jesuiten n November 2014 n Jesuit sein heute? Gerade heute! 15 © SJ-Bild

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