Als Sünder berufen „Was heißt Jesuit sein? … erfahren, dass man als Sünder trotzdem zum Gefährten Jesu berufen ist.“ Auf einem Workshop der Berufungspastoral der Jesuiten habe ich mich als Interessent einst mit dieser Aussage aus dem 2. Dekret der 32. Generalkongregation (1975) beschäftigt. Die Frage ist ja eine zentrale – gerade, wenn man in diesen Orden eintreten will! Die schon gesetzte Antwort überraschte mich zunächst, und dann kamen Gedanken, dass wir ja alle Sünder sind, Fehler machen, uns Heilung erbitten dürfen, und sie uns von Gott geschenkt wird – durch die Begegnung mit Jesus, allein aus seiner Liebe heraus. Dieses Grundaxiom unseres Glaubens stelle ich nicht in Frage. Es ist Hoffnung für mich, und doch inzwischen auch eine Herausforderung. Die Jesuiten schreiben, dass Berufung und Sünde irgendwie zusammen hängen: eine Sünde, die am Ende konkret und strukturell vorhanden ist. Sichtbar, schmerzhaft und mit Tränen behaftet. Nicht nur für uns, sondern auch für unsere Mitmenschen; jene, für die wir da sein wollen und durch die wir Gott loben, wenn wir ihren Seelen helfen. In den vergangenen Jahren spürte ich überdeutlich, was es heißt, dass wir als Orden von einer tatsächlichen Sünde sprechen müssen. Weniger aus Angst, weil unser Heil in Gefahr sei. Nein, sondern weil es anderen womöglich schwer fällt, an Gottes oder der Menschen Liebe zu glauben, weil Kinder und Jugendliche auch in unseren Einrichtungen – ja sogar durch Mitbrüder selbst – unfassbares Leid erfahren haben. Am Aloisiuskolleg wurde ich unmittelbar mit dieser Tatsache konfrontiert. Kann man dort noch einfach so arbeiten, wo das geschehen ist, worüber Zeitungen und aufklärende Berichte geschrieben haben? Nein, einfach so kann man das nicht. Es verändert einen selbst, im Umgang mit den Menschen und mit Gott, im Reden und im Beten. Und doch kann man dort arbeiten, in einem engagierten Team motivierter Mitarbeiter, die nicht einfach so weitermachen wollen – aber dennoch weitermachen, vorankommen wollen. Menschen, die nicht erneut die Augen und Ohren verschließen. Heute bin ich dankbar dafür, dass es im Orden Mitbrüder gibt, die Opfern Glauben schenken. Endlich duften Opfer reden, sie wurden gehört und das unerträgliche Schweigen ist gebrochen. Mich trägt tatsächlich die Hoffnung, dass wir als Sünder trotzdem zu Gefährten Jesu berufen sind; aber auch unsere gemeinsame Anstrengung und Mühe, die es kostet, dass wir als Orden mit dieser Sünde leben und so vielleicht ein Stück weit ehrlicher sind. Marco Hubrig SJ 18 Schwerpunkt Jesuiten n November 2014 n Jesuit sein heute? Gerade heute!
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