Jesuiten 2014-4

200 Jahre Wiedererrichtung des Jesuitenordens (1814-2014) Vom Sie zum Du Der Wandel des Lebensstiles im Orden Nach dem Schock des Verbotes des Ordens durch den Papst (1773) musste die Gesellschaft Jesu nach ihrer allgemeinen Wiedererrichtung durch den Papst vor 200 Jahren (1814) zuerst einmal gleichsam zu sich selbst finden, ihren Stil in Leben und Apostolat entwickeln. Und der war im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert relativ Rom hörig („ultramontan“) und aszetisch geprägt. Die gebotene Kürze motiviert mich, auf den „Wandel der Lebensstile“ zu schauen, den ich selbst seit 1948 im Orden erfahren habe. Das geht über die deutsche Ordensprovinz hinaus, hatte aber seine Auswirkungen auf sie. Ich denke da vor allem an die „Generalkongregation“ (GK), das oberste gesetzgebende Gremium des Ordens, das mehrheitlich aus gewählten Ordensmitgliedern aus aller Welt besteht. Ich habe an drei GK (1974-75, 1983, 1995) in Rom teilgenommen. Man braucht nur die Aussagen der vorkonziliaren, z.B. der Generalkongregation von 1957, mit denen der nachkonziliaren Generalkongregationen ab 1965-66 zu vergleichen, um den inhaltlichen Wandel zu sehen. Die Gesellschaft Jesu definiert sich gleichsam neu. Alles nach dem konziliaren Impuls „zurück zu den Wurzeln“ und zur „Verheutigung“ (Aggiornamento). Als Beispiel sei genannt die Erklärung „Jesuiten heute“ und das Dekret „Unsere Sendung heute“: nicht mehr nur „Dienst am Glauben“, sondern auch „Förderung der Gerechtigkeit“. Dies alles fasste der Generalobere Pedro Arrupe SJ gut in dem Wort zusammen: Der Jesuit ist ein „Mensch für andere“. Pater Arrupe führte diesen Wandel im Selbstverständnis des Jesuiten und in der apostolischen Ausrichtung des Ordens trotz der Schwierigkeiten, die das mit sich brachte, konsequent durch; wiederum ein Beispiel: die Gründung des „Jesuit Refugee Service“ 1980. Arrupes Nachfolger als Generaloberer, Peter-Hans Kolvenbach SJ, hat bei aller unterschiedlichen Vorgehensweise diese Linie weiterverfolgt. Für mich ist dieser „Stil-Wandel“ am deutlichsten „personifiziert“ in Papst Franziskus. Ich habe mit Jorge M. Bergoglio SJ während der GK 1974-75 drei Monate zusammengelebt. Ich erlebe ihn jetzt als Papst. Ich kenne ihn kaum wieder. Ein anderer Mensch, eben ein „Mensch für andere“. Der Übergang „Vom Sie zum Du“ bei den Jesuiten der deutschen Provinzen war signifikanter Teil dieses von Konzil und GK angestoßenen „Wandel des Lebensstiles“. Als ich 1948 ins Noviziat kam, war das Sie untereinander selbstverständlich. Selbst leibliche Brüder und Duz-Freunde mussten sich nach dem Eintritt in den Orden siezen. Das blieb so noch etwa 15 Jahre. Wie wurde das begründet? Die Satzungen sprechen da sehr deutlich: „Jeder soll sich darum bemühen, alle fleischliche Zunei24 Jesuiten n November 2014 n Jesuit sein heute? Gerade heute!

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