Jesuit sein heute – was bedeutet das für mich? Jesuit sein heißt für mich, meine Berufung gefunden zu haben und sie leben zu können. Dahinter steht eine Überzeugung, die für mich wesentlich zum Jesuit sein gehört: Da gibt es einen, der ruft. Wenn zwei Menschen heiraten, haben sie erfahren, dass die Liebe des anderen innerlich Kräfte freisetzt. Die Gründe für einen Ordenseintritt sind vergleichbar. In Exerzitien konnte ich vor über zehn Jahren eine Erfahrung machen, an deren Wirklichkeit ich nicht zweifelte. Ich verstand tief in meinem Herzen: „Clemens, es ist gut, dass Du bist und wie Du bist.“ Das schenkte mir Vertrauen und machte mich lebendig. Diese Worte kann man sich nicht selbst sagen. Ich war überzeugt, hier habe ich es mit Gott zu tun bekommen. Davon wollte ich mehr. Ich wollte keine ausgemergelte und bleiche Heiligenfigur werden, sondern mit Haut und Haar meinen Glauben an diese konkrete Person Jesus Christus leben. Den Platz dazu habe ich im Orden gefunden. Durch den geistlichen Weg ist mein Vertrauen in Gott gewachsen. Wie in jeder Beziehung gibt es auch lustlose und anstrengende Phasen. Aber mit diesem Jesus wird es auch nach Jahren nicht langweilig. Gott ist lebendig. Ohne Ihn wäre mein ganzes Leben als Ordensmann sinnlos. Für mich erschöpft sich Ordensleben aber nicht in meiner spirituellen Suche. Liebe wird dort vollkommen, wo ich mich selbst geben kann. Für mich ist das der Dienst, unsere Sendung. Ignatius war es wichtig, für Menschen auf unterschiedliche Weise einen Rahmen zu schaffen, damit sie Gott begegnen können. Die Aufgabe als Priester ist es, solche Begegnungsräume zu öffnen. Für mich sind besonders wichtig die Eucharistiefeier, die Beichte, die Einzelgespräche und die Exerzitien. Nach Monaten erzählen mir manche: „Da oder dort wurde es mir warm ums Herz, löste sich etwas, da konnte ich mich selbst mehr annehmen.“ Dann weiß ich, Gott hatte seine Finger im Spiel, denn so was kann man nicht machen. Hier lauert aber auch eine große Versuchung. Ich benehme mich manchmal wie ein Arzt bei einer Reanimation. Ich pumpe bis zur Erschöpfung Worte und Aktionen auf den scheinbaren Glaubenstoten ein. Aber es hilft nichts. Ich muss mir meine Selbstüberschätzung eingestehen. Nicht ich belebe, sondern der Geist Gottes schafft lebendigen Glauben in Menschen. So ein Mitarbeiter Gottes sein zu dürfen, lässt mich fast jeden Abend dankbar auf einen sinnvollen Tag zurückblicken. Als Jesuit muss ich nicht den Menschen etwas bringen, sondern darf mit ihnen unterwegs sein: momentan vor allem mit vielen jungen Leuten. Natürlich muss ich Rede und Antwort für die Lehre der Kirche stehen. Aber es ist mehr ein Mitein- 2 Schwerpunkt Jesuiten n November 2014 n Jesuit sein heute? Gerade heute!
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