Jesuiten 2015-1

Kann es eine Kunst des Sterbens geben? Mehrmals in meinem Leben rückten schwere Erkrankungen, nach dem Urteil der Ärzte, meinen Körper in die Nähe des Todes. Aber einmal klopfte er gewissermaßen bei mir selbst an. Ich war etwa 54 Jahre alt, als die Leistung meiner Nieren so abnahm, dass ich mich ab da einer regelmäßigen Dialysebehandlung unterziehen musste. Während einer solchen geschah es nun plötzlich, dass mir schwarz vor Augen wurde und ich mich so zusammenkrampfte, dass ich den Alarmknopf nicht mehr erreichen konnte. Ich versuchte zwar noch, die Schwester, die gerade im Raum war, zu rufen. Aber sie hörte mich nicht … Das nächste, was ich dann wieder mitbekam, war, dass sie an der Maschine hantierte, um die Blutwäsche abzubrechen. Als ich sagte „Ich glaube, jetzt war ich eine Zeitlang weg“, antwortete sie: „Ich habe ihnen gerade das Leben gerettet“. Da dachte ich: So wäre ich also sonst aus dem Leben geglitten, ohne es überhaupt zu merken? Nein, so banal möchte ich nicht gestorben sein, ohne meine Beteiligung, ohne Bewusstsein. Die überlieferte Gebetsbitte fiel mir ein: Vor einem plötzlichen Tod bewahre mich! Zwar wünschen sich heute, wenn man den Umfragen glauben darf, viele Leute einen plötzlichen Tod. Wenn schon gestorben sein müsse, dann möglichst schnell und unmerklich. Für eine „Kunst des Sterbens“ bleibt da kein Platz. Welchen Sinn sollte diese auch haben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr geglaubt werden, dass nämlich der Tod nicht nur ein Ende, sondern auch und vor allem ein Übergang ist, zur Konfrontation mit der Wahrheit meines Lebens und zur Begegnung mit Gott, meinem Schöpfer selbst. Sich darauf soweit möglich vorzubereiten durch eine Beichte und den Empfang der hl. Kommunion als letzte „Wegzehrung“ (viaticum), und dann, soweit es geht, begleitet zu werden durch das Gebet der umstehenden Nächsten – das galt und gilt teilweise immer noch als die Kunst des Sterbens für katholische Christen. Dadurch unterscheidet sich das Sterben eines Menschen vom Verenden eines Tieres, dem es ansonsten zu gleichen scheint. Aber tiefer gesehen stellt sich die Frage: Kann ein Mensch überhaupt lernen, richtig zu sterben? Lernen setzt Übung und diese Wiederholung voraus. Beides trifft hier nicht zu, denn man stirbt nur einmal. Es gibt kein Probieren, weil der erste Versuch schon der letzte ist. Vor allem aber gilt: Sterben ist ganz pas- 12 Schwerpunkt Jesuiten n März 2015 n Vom guten Tod Das Leben ist in jedem Augenblick vom Tod umfangen.

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