Jesuiten 2015-1

15 Jesuiten n März 2015 n Vom guten Tod Begegnung mit einer Angehörigen Der Tod eines geliebten Menschen bedeutet Schmerz und Verlust, nicht zuletzt für die Angehörigen. Kann es für sie einen „guten“ Tod geben? Ich bin Frau Maria Oppold an der Uni Tübingen begegnet. Nach einer Diskussion über ethische Fragen am Lebensende erzählte Frau Oppold von ihrem Mann und deutete an, dass sie beide das erlebt hätten: einen guten Tod. Interessiert fragte ich nach – und wenige Tage später war ich zu Gast in Frau Oppolds Wohnung. Sie hatten die Wohnung vor gut sechs Jahren bezogen, erzählt sie dann bei Kaffee und Tee. Und das gemeinsame Ausräumen des Hauses, das sie zuvor lange Zeit gemietet hatten, sei ihr und ihrem Mann eine große Hilfe gewesen: eine erste Übung des Loslassens. Wer ein Haus von drei Etagen leerräumen muss, der müsse von vielem Abschied nehmen. Dass nur eineinhalb Jahre nach dem Einzug in die Wohnung auch ihr Mann gehen musste, das hätten sie damals freilich noch nicht geahnt. Bauchspeicheldrüsenkrebs war die Diagnose. „Jetzt ist es bei uns.“ – „Kannst du so mit mir gehen?“ hatte ihr Mann gefragt. – „Ja“, war ihre Antwort. Und dieses Ja hatte beide getragen bis zum Tod. Ihr Mann hatte die Kraft, die Diagnose anzunehmen – obwohl die Palliativmedizin nicht alle Schmerzen nehmen konnte. Bekannte meinten, sie sollten kämpfen. Aber der Krebs war zu weit fortgeschritten. „Wie haben Sie die langen Wochen der Krankheit durchgestanden?“ frage ich. „Gespräche, viele offene Gespräche“ ist die Antwort. „Wir haben unser ganzes Leben durchgekaut. Auch die Reibungen. Wir konnten sehr offen über alles reden. So war es gut.“ Ich bin überrascht. Nicht zuletzt, weil Frau Oppold zuvor auch über ihre eigene lange Krankheitsgeschichte berichtet hat. Tagebuch-Schreiben seit dem Tag der Diagnose, das wäre auch hilfreich gewesen. Und sicher auch eine Nahtodeserfahrung, die Frau Oppold vor Jahren selbst erlebt hatte. Von der hat sie ihrem Mann dann neu erzählt. Das Vertrauen auf Gott war ihnen wichtig, aber einen fremden Pfarrer hätten sie nicht gewollt. „Wir sind ja getaufte und gefirmte Christen. Wir können uns vergeben.“ Für den Gedenkgottesdienst nach Herrn Oppolds Tod wählten sie gemeinsam noch das Credo und ein Osterlied. Ich staunte. Der Weg zu einer so versöhnten Sicht kann nicht leicht gewesen sein. Haben Schmerz und Verlust erst im Nachhinein ihre Härte verloren? Jedenfalls war und bin ich sehr dankbar dafür, Frau Oppold begegnet zu sein. Ein solcher Weg und ein solches Zeugnis gelebten Glaubens muss sicher erst errungen werden; aber es ist, so scheint mir, vor allem ein Geschenk. Stefan Hofmann SJ Der Weg zu einer versöhnten Sicht ist ein Geschenk.

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