Jesuiten 2015-2

Einfach umsetzen? Während eines Auslandsaufenthaltes in Kanada habe ich vor vielen Jahren ignatianische Exerzitien gemacht und nach allen Regeln der Kunst eine Entscheidung getroffen. Sie hat den Kontakt mit der Welt außerhalb der Exerzitien nicht einmal zwei Wochen überlebt und ist dann in hohem Bogen über Bord geworfen worden. Damals hatte ich überlegt, ob ich das Konzept der Unterscheidung der Geister nicht richtig verstanden habe oder dafür nicht tauge oder einfach zu träge und inkonsequent im Alltag bin. Auf jeden Fall hat die so schnell gescheiterte Umsetzung einen enttäuschenden und bitteren Nachgeschmack hinterlassen. Heute würde ich sagen, dass ich in so ziemlich alle Fallen getappt bin, die es bei der Umsetzung von getroffenen Entscheidungen gibt. Falle 1: Die Macht der Anpassung Im Alltag leben wir in einem Geflecht von Beziehungen und Verpflichtungen. Die Umsetzung von Entscheidungen betrifft in der Regel nicht nur mich allein, sondern hat Auswirkungen auf mein privates oder berufliches Umfeld. Und das ist meistens nicht indifferent, sondern bestärkt oder verunsichert die getroffene Entscheidung. Was bei Exerzitien selbstverständlich ist, braucht es auch für die Unterscheidung der Geister im Alltag: den Rückzug in Momente der Stille und Reflexion. Das sind Zeiten und Orte, in denen das Umfeld nicht im Vordergrund mitmischt. Die Umsetzung der Entscheidung geschieht jedoch mittendrin in diesem Umfeld. Die Kunst liegt darin, meine Entscheidung nicht vorschnell an die vermeintlichen oder tatsächlichen Erwartungen der anderen anzupassen, sie aber auch nicht komplett auszuschließen und zu versuchen, die Umsetzung im sturen Alleingang durchzuziehen. Falle 2: Die innere Ungeduld Selbst wenn bei der getroffenen Entscheidung die inneren Stimmen des Kopfes und des Herzens in einem Gleichklang waren, können sie bei der Umsetzung wieder in unterschiedliche Richtungen laufen wollen. Vielleicht prescht das Herz ungeduldig vor, während der Kopf noch die genauen Umsetzungsschritte erwägt. Oder der Kopf hat längst Fakten geschaffen, während das Herz noch der nicht gewählten Alternative nachtrauert. Jede innere Stimme hat bei der Umsetzung ihren eigenen Rhythmus und ihr eigenes Tempo. Da hilft manchmal nur Geduld mit sich selbst, damit in der Umsetzung alle inneren Kräfte beteiligt bleiben. Falle 3: Ewig aufschieben Morgen fange ich damit an, mein Leben zu ändern – großes Ehrenwort! Aber leider ist dann doch wieder etwas anderes dazwischen gekommen. Mittlerweile ist es fast Mode, ein so genannter procrastinator (Zauderer) zu sein, und viele reagieren mit verständnisvoller Empathie, weil sie diese Falle nur zu gut kennen. Für die Umsetzung einer getroffenen Entscheidung ist das ewige Aufschieben fatal. Es führt zu einem schlechten Gewissen, das dadurch beruhigt wird, lauter gute Argumente zu 16 Schwerpunkt Jesuiten n Juni 2015 n Gott will es? Unterscheiden!

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