Jesuiten 2015-2

Ein frommes Coaching? Als professioneller Unternehmensberater und ehrenamtlicher Geistlicher Begleiter sammle ich immer wieder wertvolle praktische Erfahrungen mit der Unterscheidung der Geister. Säkulare und geistliche Begleitprozesse haben viele methodische Gemeinsamkeiten. Es gibt aber auch einen wesentlichen – metaphysischen – Unterschied. Im Exerzitienprozess ist die „Unterscheidung“ eingebettet in einen Trialog zwischen Gott, meiner BegleiterIn und mir (Geistliche Übungen 15). Dabei spüre ich meinen inneren Bewegungen mit Blick auf Christus und im Gespräch mit Gott nach. Auch beim säkularen Beratungsgespräch geht es um ein unterscheidendes Wahrnehmen. Die beim Coaching mitunter angewandte Transaktionsanalyse kennt die störenden „Aber-Geister“ als blockierende „Script-Muster“: Diese Drehbücher innerer Haltungen und Einstellungen werden in der frühen Kindheit in gewissen Kontexten „geschrieben“. Im Erwachsenenalter – beispielsweise in Stresssituationen – können diese Rollen und Muster jedoch freies und mündiges Wahrnehmen, Entscheiden und Handeln blockieren. Durch Fragen eröffnet der Coach Lösungsräume: Ist dieses Muster hilfreich oder blockiert es dich? Was würde dir in dieser Situation mehr – magis! – nützen? Welche „ungeordnete Anhänglichkeit“ könntest Du loslassen? Dabei können auch Glaubenserfahrungen als Ressource dienen. Bei Workshops arbeite ich gerne mit einfachen Persönlichkeitsmodellen. Diese können TeilnehmerInnen dabei helfen, eigene Steuerungsmuster besser wahrnehmen, unterscheiden und hinterfragen zu können. Die wichtigste Erkenntnis dabei ist, dass personale Typenstrukturen und Muster überhaupt existieren und mit ihrem Auftauchen immer zu rechnen ist. Ist die „Unterscheidung“ also bloß Coaching mit religiösem Vokabular? Ist Gott doch nur ein „frommer Zusatz“, der im Prozess selbst aber keine wesentliche Rolle spielt? An diesem entscheidenden Punkt wird ein wesentlicher Unterschied klar: Systemisches Coaching betont eine wirklichkeitskonstruktive Perspektive, d.h. ich selbst kann störende Muster erkennen, verbessern und auflösen. Dabei kommt es – radikal – nur auf mich an. Ein solcher Coaching-Ansatz belässt die letzte Berechenbarkeit und Machbarkeit – auch unter dem Kriterium der Nützlichkeit (Beruf, Kar20 Schwerpunkt Jesuiten n Juni 2015 n Gott will es? Unterscheiden!

RkJQdWJsaXNoZXIy MjIwOTIwOQ==