Jesuiten 2015-2

St. Michael Sein Name ist eine Frage. Das hebräische Mi – cha – el bedeutet: Wer ist wie Gott? Er ist Geschöpf Gottes wie wir Menschen. Er gründet seine Existenz darin, dass er sein Geschaffensein anerkennt. Michael ist personales Zeichen der Entschiedenheit für Gott, für sein Reich der Wahrheit, des Lichtes und der Güte. Er ist damit auch Prototyp der durch Unterscheidung gereiften Freiheit. Die Gegenfigur ist Luzifer. Auch er ein Geschöpf Gottes. Sein Name: „Lichtträger“, doch das göttliche Licht verdunkelt sich in ihm, die ursprüngliche Schönheit verblasst, er wird hässlich. Warum? Weil er sich selbst zum Zentrum macht. Er verkrümmt sich in sich selbst. Das Böse zeigt sich als um sich selbst kreisendes Ego mit all den mörderischen Folgen, die ein solches Lebenskonzept persönlich und gesellschaftlich nach sich zieht. Die älteste Ikonographie zeigt von Michael nur das hoheitsvolle Antlitz, das den göttlichen Glanz widerstrahlt. Mit der Zeit bekommt er Flügel, um ihn als geistiges Urwesen zu markieren. Als Bote Gottes wird ihm ein Stab gegeben, der zum Kreuzstab wird. Schließlich wird der Stab zur Lanze oder zum Feuerschwert. Dies sind Ausdeutungen seiner geistigen Souveränität, seiner Entschiedenheit, die auch im Symbol der Waage zum Ausdruck kommt. Der Patron der Münchner Jesuitenkirche – eine Bronzeplastik von Hubert Gerhard (1588) - steht zentral zwischen den beiden Portalen in einer streng geformten Rundbogennische mit betonten Horizontal- und Vertikallinien. Der Engel bringt die Diagonale ins Spiel, vor allem durch Lanze und rechten Flügel. Die gekreuzte Stola vor der Brust betont ebenfalls diese Linie. Sie bildet den x-förmigen Lauf der Sonnenbahnen zwischen der Frühlings- (21.3.) und Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche (21.9.) ab. Michael symbolisiert die kosmische Macht des Lichtes. Deshalb wirkt er so überlegen, so elegant. Fast spielerisch steht er über dem darniederliegenden Teufel. Sein Blick ist streng und konzentriert, aber das Gesicht bleibt anmutig. Mit großer Ruhe und Überlegenheit wird hier der Sieg des Guten über das Böse und Hässliche dargestellt. Auf dem Gemälde des Hochaltars steht der Kirchenpatron jedem Besucher der Kirche sofort vor Augen. Der geflügelte Erzengel nimmt seinen Widersacher in den Blick und schreitet über ihn hinweg. Luzifer stürzt ab. Seine Finger, die sich zu Krallen auswachsen, die Bockshörner an den Schläfen, Haare, die zu Schlangen werden, der hahnenkammartige Flügel hinter dem Kopf, die hingestreckte Gestalt mit den gespreizten Beinen, der feuerspeiende Mund – all das deutet an, was diesem Wesen zum Verhängnis wurde: Stolz, verkrampftes Haben- und Genießenwollen, Falschheit und Lüge. 22 Jesuiten n Juni 2015 n Gott will es? Unterscheiden! Geistlicher Impuls

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