Jesuiten 2015-3

Erhebet die Herzen – nicht nur für den Augenblick Seit fast zwei Jahren lebe ich in einer für die meisten Menschen in unserer Gesellschaft normalen, für Jesuiten aber ungewöhnlichen Situation: Wohn- und Arbeitsplatz sind deutlich voneinander getrennt. Seit September 2013 ist mein Büro in Schwabing, meine Kommunität aber fast 7 km davon entfernt in Sendling. Mit dem Fahrrad ist das fast eine halbe Stunde Fahrzeit. Für mich ist der Montagabend eine besondere Herausforderung: da haben wir unseren wöchentlichen Kommunitätsabend, der mit einer Messe um 18.30 Uhr beginnt. An diesem Abend will ich pünktlich zu Hause sein, und das heißt, dass ich das Ende der Arbeit im Büro rechtzeitig in den Blick nehmen muss. Schließlich müssen, bevor die Bürotür geschlossen wird, einige Papiere geordnet und der Computer heruntergefahren werden. So gesehen beginnt für mich eigentlich die Messe am Montagabend spätestens schon um 17.45 Uhr, und gleichzeitig gehe ich mit dem Büroalltag in die Messe. Passt das? „Erhebet die Herzen“ – dieser Zuruf des Priesters signalisiert den Beginn der Präfation, die sich durch eine hymnische Sprache auszeichnet, mit der die Mitfeiernden der Messe in eine andere Welt geführt werden. Der Zielpunkt wird durch das dreimalige „Heilig“ angegeben, das in der Berufung des Propheten Jesaja eine entscheidende Rolle spielt. Dieser wird in einer Vision vor den göttlichen Thron geführt und hört dort diesen Lobgesang der Engel. Die Vereinigung von irdischem und himmlischem Lobgesang ist der Zielpunkt der Präfation. Auf dem Hintergrund der Menschwerdung Gottes ist der Höhepunkt aber zugleich der Wendepunkt. Das heißt, im Aufschwung der Präfation lassen wir die Welt nicht einfach hinter uns, um uns über den Wolken über diese zu erheben und sie hinter uns zu lassen. Christus blieb nicht in der himmlischen Sphäre, sondern stieg in unsere Welt, in unseren Alltag hinab, um diese Welt und unseren Alltag vom Reich Gottes zu prägen. Diese Bewegung der Menschwerdung ist auch eine Bewegung für alle Gläubigen, die die Messe feiern: Wir lassen uns zu Gott erheben, um seinen Abstieg nachzuvollziehen. Das heißt auch, dass wir nicht einfach unseren Alltag hinter uns lassen, sondern dass dieser Alltag als Auftrag vor uns liegt, damit er auch vom Reich Gottes geprägt wird. Vielleicht gilt sogar, dass dieser Alltag mit in diese Bewegung des Auf- und des Abstiegs zu nehmen ist, um direkt von diesem Reich geprägt zu werden. So gesehen, beginnt die Messe nicht erst um 17.45 Uhr, wenn ich das Büro verlasse, sondern spätestens Stunden vorher, wenn ich es betrete. Ralf Klein SJ 13 Jesuiten n September 2015 n Messe feiern

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