Jesuiten 2015-3

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes Nach dem Familiengottesdienst kam neulich eine Frau auf mich zu. Sie war sehr bewegt, fast ergriffen. „Pater, Sie haben mir etwas erschlossen, wogegen ich mich immer gewehrt habe.“ „Was denn?“ „Ich bin evangelisch, komme oft nach St. Michael und konnte nie das Kreuzzeichen mitmachen. Immer die Erinnerung an das furchtbare Kreuzesgeschehen, das war mir einfach zuwider. Aber heute, wie Sie den Kindern das Kreuz erklärt haben, das hat mich innerlich gepackt. Ich bin noch ganz außer mir und ich glaub’, jetzt mach ich das auch.“ Was war geschehen? Ich hatte zum Dreifaltigkeitsfest den Kindern in der Predigt das Kreuzzeichen gestisch gedeutet. „Wir führen unsere Hand mit den mittleren Fingern zur Stirn, also nach ganz oben und sagen ‚Im Namen des Vaters’. Wir zeigen, dass wir uns an Gott wenden, der über allem ist, an Gott, den wir mit unserem Kopf nie begreifen und fassen können. Wir nennen ihn wie Jesus Abba, Papa, lieber Vater. Dann führen wir die Hand nach unten zur Leibmitte, zum Bauch. Wir sagen damit: Der Vater im Himmel hat sein Liebstes, seinen Sohn auf die Erde herab gesandt. Der Sohn Gottes ist abgestiegen in unser Fleisch und Blut. Diese Bewegung drückt aus: Gott ist Mensch geworden, einer von uns, mit allem, was Menschen erleben – bis hin zu Leid und Tod. Dann führen wir unsere Hand mit den Fingerkuppen zuerst zur linken, dann zur rechten Schulter. Wir verbinden auf gleicher Höhe die beiden Schultern und sagen: Der Geist Jesu stiftet Gemeinschaft, der Heilige Geist führt Menschen zusammen, von gleich zu gleich.“ Was hatte ich gemacht? Ich hatte das Geheimnis der Dreifaltigkeit vom Offenbarungsgeschehen her erläutert und deutlich gemacht: Mit dem Kreuzzeichen am Beginn der Messe sind wir hineingenommen ins Leben des dreifaltigen Gottes. Es ist das Vorzeichen jeder Eucharistie, es drückt unsere wahre Bestimmung als Menschen und Christen aus. Die evangelische Frau hatte das offenbar so noch nie gehört. Sie war fixiert und blockiert durch die Erinnerung an das brutale Kreuzesgeschehen. Karl Rahner hat bei einem Festvortrag kurz vor seinem Tod im März 1984 sehr persönlich über „Erfahrungen eines katholischen Theologen“ gesprochen. „Die eigentliche und einzige Mitte des Christentums ist ... für mich die wirkliche Selbstmitteilung Gottes, ist das Bekenntnis zu der unwahrscheinlichsten Wahrheit, dass Gott selbst mit seiner unendlichen Wirklichkeit und Herr2 Schwerpunkt Jesuiten n September 2015 n Messe feiern

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