Jesuiten 2015-4

Glauben Sie an Gott, Herr Bischof? 1977 bin ich zum Bischof geweiht worden. Seither firme ich jedes Jahr einige hundert junge Leute. Ich sollte mit ihnen vor der Firmung Kontakt aufnehmen. Da kam mir der Gedanke, sie zu bitten, mir Briefe zu schreiben, und das tun sie seither auch. Ich habe viele Tausend davon in meinem Archiv. Eine Auslese habe ich in meinem Buch „Glauben Sie an Gott, Herr Bischof“ (Tyrolia-Verlag, Innsbruck-Wien) veröffentlicht. Die Qualität der Briefe ist sehr unterschiedlich, von kurz und jugendlich salopp bis zu mehreren Seiten, in denen sie mir ihre ganze Lebensgeschichte anvertrauen. Sehr tief berührt die Jugendlichen die Frage nach Gott. Vor allem, ob es wirklich einen guten Gott geben kann, der so viel Katastrophen, Elend, Krieg und Terror zulässt. Der Kirche als Institution stehen sie oft sehr reserviert gegenüber. Sie schätzen erlebte Gemeinschaft da und dort, vor allem bei großen Events. Dennoch haben sie das Empfinden, die Kirche sei rückständig, gehe nicht mit der Zeit, redet zu viel über Gebote und Verbote als über das Glück im Leben. Die Form der Firmvorbereitung, die mindestens ein Jahr dauert, schätzen sie meist. Bei der Predigt zitiere ich immer aus den Briefen, ohne Namen zu nennen. So bin ich immer „aktuell“, die Firmlinge aber hören neugierig und konzentriert zu. Kevin: Ich spüre Gott im Frühling, wenn alles blüht und wächst, im Sommer die Sonne scheint und die Leute lachen und fröhlich sind. Im Herbst, wenn die Ernte ist, und im Winter, wenn alles einschläft und neue Kraft sammelt für den Frühling. Ich bin mir sicher, dass es ein Leben nach dem Tod gibt. Elisabeth: Ich nütze die Zeit während der Messe meistens zur stillen Besinnung, zum Nachdenken über mein eigenes Wesen. Sehr häufig gehen mir auch Fragen über ein Leben nach dem Tod durch den Kopf. Mich würde z.B. interessieren, ob Tote noch an etwas denken oder ob in der Minute, in der ihr Herz stehen bleibt, auch ihr Gedächtnis zusammenfällt. Würden Sie dieses Verhalten während einer Messe als „geistesabwesend“ bezeichnen? 15jähriger Firmling: Als Kind bin ich gern in die Kirche gegangen. Ich habe geglaubt, an Gott, an Jesus und ich hatte ein Kreuz über meinem Bett hängen. Als ich älter wurde, habe ich allmählich begriffen, dass 18 Schwerpunkt Jesuiten n November 2015 n Junger Glaube Die Frage nach Gott berührt Jugendliche sehr tief

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