Jesuiten 2016-2

Evangelische und katholische Perspektiven So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber aus dem Wort Gottes (Röm10,17) Da sind wir nun. Mal wieder. Mein Bildschirm und ich. Die Aufgabe ist definiert. Die Vorarbeiten sind erledigt. Der Countdown läuft. Ich setze an, schreibe, lösche, stehe auf, gehe umher, rastlos. Ich setz’ mich wieder hin, blätter’, lese, pule, klicke, tippe, ... gucke. Es dauert. Manchmal bis weit in die Nacht. „Quälst Du Dich?“ „Ja. Schon.“ „Ich denke, Du kannst das. Das kann doch nicht so anstrengend sein!“ Ist es aber. Und es ist in Ordnung. Es gehört für mich zum Predigtschreiben dazu. Predigtschreiben ist für mich, als arbeitete ich an einer Übersetzung. Dabei ringe ich mit all den Redewendungen, die mir den Kopf verstopfen, mit Übertragungsvarianten, die nur so ungefähr stimmen, mit den Grenzen meines Verstandes, meiner Erfahrung und meiner Kreativität. Meine Übersetzung soll korrekt und präzise sein, nicht zu technisch, aber auch nicht zu simpel. Ich gebe mein Bestes, denn schließlich übersetze ich nicht irgendwas. Ich übertrage heilige Texte. Ich versuche jahrtausendealte Erfahrungen der Menschen mit Gott in unsere Lebenswirklichkeit einzutragen. Ich versuche, diese in alte Sprache und Bilder verpackten Erfahrungen freizulegen, zu erklären, zu versprechen, damit ihre Gültigkeit, ihre Verheißung, ihre Mahnung, ihre Sehnsucht, ihre Kraft und ihr Trost spürbar werden. Diese Berührung konkurriert mit der Gleichgültigkeit und der Ahnungslosigkeit. Sie ist wichtig, um an Gott glauben zu können. D.h. um unser Leben und unser Sterben mit all unserem Tun, unseren Erfolgen und unserem Scheitern im Lichte des Heilsgeschehens durch Jesus Christus begreifen zu können. Insofern hat die Predigt, wie es schon Paulus (Röm 10,17) wusste, für den Glauben eine identitätsstiftende und -fördernde Funktion. Deshalb steht sie im Zentrum des Gottesdienstes. Da sind wir nun. Mal wieder. Mein Bildschirm und ich. Die Aufgabe ist definiert. Die Vorarbeiten sind erledigt. Der Countdown läuft. Ich setze an, schreibe, lösche, stehe auf, gehe umher, rastlos. Und was, wenn ich es nicht schaffe, diese Übersetzung? Wenn ich nicht vermittle und berühre, sondern langweile oder sogar verärgere? Was, wenn mir nichts mehr einfällt, wenn meine Zweifel mich blockieren? Dann bleibt mir darauf zu vertrauen, dass das Wort Gottes für sich wirkt: stark und mächtig. Eva Jain 12 SCHWERPUNKT JESUITEN n JUNI 2016 n PREDIGEN

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