Jesuiten 2016-2

Was eine lange Predigt gut macht … Selbstverständlich kann man auch allein und nur für sich selber predigen. Normalerweise aber wird eine Predigt vor anderen Menschen gehalten. Vor ihnen wenigstens, ob für sie, ist schon eine Frage. Eine Predigt nimmt also die Zeit anderer in Anspruch. Daher sollte sich jeder gut überlegen, ob das, was er zu sagen hat, auch wert ist, andere mit ihrer Zeit dafür bezahlen zu lassen. Wenn nichts Bemerkenswertes zu sagen ist, sollte wenigstens nur kurz gesprochen werden. Dann ist die Sache für alle Beteiligten rasch ausgestanden. Was aber, wenn einer viel zu sagen hat? Auch dann sollte er imstande sein, es kurz zu sagen. Warum aber kann eine gute Predigt auch lang sein? Eine kurze Predigt gleicht dem in einem Restaurant nach der Bestellung bereits fertig servierten Essen. Die Gänge des Menüs müssen sorgfältig aufeinander abgestimmt sein. Nicht zu viel und nicht zu wenig. Aber alles wird für den Gast verborgen in der Küche zubereitet. Bei einer langen Predigt kommt der Koch aus der Küche an den Tisch des Gastes und bereitet das Essen vor dessen Augen vor. Das dauert, bietet aber ganz eigene Genüsse. Die Qualität einer langen Predigt hängt daher eng mit dem Predigtstil zusammen. Es gibt eine Art des Predigens, die nicht fertige Gedanken serviert, sondern die Zuhörer an einer Suchbewegung teilhaben lässt. Wer sich als Prediger auf so etwas einlässt, muss selber ein Suchender sein und den Mut haben, dieses Suchen vor allen anderen aufzuführen. „Aufführen“ deswegen, weil es bei dieser Form des Predigens um eine sprachliche Performance geht. Wichtig ist die Art und Weise, wie ein Inhalt entwickelt wird, wie er nach und nach entsteht. Eines ist eine unerlässliche Bedingung für diese Art des Redens: Ich muss den Mut haben, zu scheitern. Ohne gute Vorbereitung darf sich ohnedies niemand auf so ein Abenteuer einlassen – auch der Koch wird sein Handeln gut geprobt haben. Aber im Moment des Predigens muss ich alles Fertige vergessen und mich im Sprechen auf die Suche nach dem machen, was bereits vorher durchdacht worden ist. Die Gedanken werden nun im Reden verfertigt, es kommen neue dazu, das scheinbar Fertige erweist sich als Ausgang neuer Suchbewegungen und die Hörenden finden im Prediger jemanden, der sie einlädt, einen gemeinsamen Weg zu gehen. Jesus hat den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus lange gepredigt. Und gut. Gustav Schörghofer SJ 15 JESUITEN n JUNI 2016 n PREDIGEN

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