Jesuiten 2016-2

Die innere Armut des Predigers Anlässlich einer Priesterweihe kam ich mit einem Mitbruder beim Essen ins Gespräch. Er bot mir an, die Räume seiner Institution, in der er arbeitete, zu zeigen; ich nahm dankend an. Allerdings hatte er am Abend noch eine Messe mit Predigt. Als wir in seinem Büro waren, meinte ich nochmals, dass ich ihm nicht seine Zeit der Predigtvorbereitung stehlen wollte. „Kein Problem“, sagte er, öffnete eine Hängeregistraturlade, suchte kurz unter den Blättern, holte eine seiner Predigten heraus und meinte: „Die nehme ich. Die Predigtvorbereitung ist fertig, wir können mit der Führung weiter machen.“ So geht es auch. Leider habe ich keinen solchen Fundus, und eine schon gehaltene Predigt will ich auch nicht vorlesen. So bleibt mir vor jeder Predigt nur der mühsame Weg, mich je neu vorzubereiten durch Lesen, Suchen, Nachdenken, Probieren, um einen Geistesblitz flehen oder mit Dankbarkeit an der Gedanken-Perle feilen, die mir plötzlich eingefallen ist. Manchmal fühle ich mich dabei reich, und manchmal merke ich meine „Armut“ deutlich. Bewusst arm: auf Gott vertrauen Es war Routine: Ich versah als Kaplan regelmäßig einen Friedhofsdienst. Vor dem Abfahren zum Begräbnis ging ich auch an diesem Tag nochmals alles durch: Ablauf der Verabschiedung, Einleitung… – Du lieber Schreck! Ich habe ja die Predigt vergessen vorzubereiten! Nach dem ersten Schock fragte ich mich, was ich in 10 Minuten tun könnte: das ausgesuchte Evangelium lesen, die mich ansprechenden Verse kurz bedenken, einen Gedanken daraus fassen, damit einen Gedankengang entwickeln und noch zwei Minuten für den Verstorbenen beten. Und dann ab! In dieser Situation konnte ich nur noch vertrauen, dass Gott für den Rest sorgt. Für die großen Meister wie Ignatius oder Franz von Assisi ist die Ausrichtung auf Gott für das Predigen das Fundament. Nicht die Eleganz der Worte, nicht der Erfolg und auch nicht der zwingende Gedankenschluss stehen im Zentrum, sondern das innere Feuer, das bei den Zuhörenden zündet. „Mit nichts als unserem Atem“ (Hilde Domin), in Ohnmacht und Vertrauen als Prediger „zu der Freude hinzubewegen, die aus dem Geist Gottes kommt“ (Franz v. Assisi). 18 SCHWERPUNKT JESUITEN n JUNI 2016 n PREDIGEN Predigen ist die Ausrichtung auf Gott.

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