Jesuiten 2016-3

Zwischen den Fronten Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst arbeitet im Libanon in einer Region, wo nur wenige andere Nichtregierungsorganisationen arbeiten wollen. Es handelt sich um eine Gegend, die als unsicher für Ausländer angesehen wird. Denn sie können schnell zu lukrativen Zielen für Entführer werden. Aber auch die Libanesen selbst meiden Baalbek. Der Libanon ist klar entlang religiöser Linien aufgeteilt oder besser gesagt: zerteilt – Christen und Muslime unterschiedlichen Bekenntnisses. Parallel und teilweise noch tiefer trennend verlaufen dazu die Zugehörigkeiten zu den politischen Parteien. Überall dazwischen leben die Flüchtlinge, und der JRS versucht, sie so gut es geht zu erreichen. Das bringt mich als deutschen Leiter des JRS Libanon zwischen alle Stühle – was aber nicht einmal eine unkomfortable Situation ist. Ich kann zumindest mit allen Seiten reden. Reden, ja, aber werde ich verstanden? Hoffentlich! Aber verstehe ich die Situation? Nur bedingt. Es gibt feine Regeln und Verhaltensweisen, die zu beachten sind. Kleinigkeiten können schnell zu Verstimmungen führen. Ich kann mich aus den religiösen und politischen Schwierigkeiten heraushalten, bin aber stark dem „Clash of Cultures“, dem Zusammenstoßen der Kulturen, ausgesetzt. In einer solchen Situation kann man nur arbeiten, wenn man gute lokale Mitarbeiter und Projektpartner hat, die sich in der Mitte bewegen. Mitarbeiter können wir gezielt rekrutieren und schulen. Aber mit Projektpartnern ist das schwieriger. Hier heißt es, Kompromisse einzugehen. Aber wie weit kann man gehen? Einerseits sind da die Flüchtlinge und andererseits die Geldgeber, die ihre Standards haben. Versteht der Partner, dass wir aus christlichen Werten heraus handeln und dass das Geld, das wir verwalten, das Geld der Armen ist? Dass es nicht genug ist, wenn die Kinder zur Schule gehen, sondern dass es auch wichtig ist, dass der Unterricht ohne Gewalt verläuft? Dass es unethisch ist, wenn wir Geld von den Flüchtlingen annehmen? Dann erlebe ich auch den Luxus, dass ich immer nur für einige Stunden dort bin. Schwieriger ist es für meine Projektleiterin, die täglich ihren Weg finden muss – und ihn auch findet. Meine Rolle ist, ihr bedingungslos den Rücken zu stärken. Ich nutze meine Autorität – auch die als Priester. Es muss sein. Ein weiterer Kompromiss. Zum Glück bekomme ich genug Rückmeldungen, so dass ich nicht den sicheren Pfad verlasse. Aber all diese Schwierigkeiten sind nichts im Vergleich mit dem, was die Flüchtlinge aushalten müssen. Stefan Hengst SJ 18 SCHWERPUNKT JESUITEN n SEPTEMBER 2016 n MEIN FEIND

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