Jesuiten 2016-3

Angefeindet – Einsatz für den Schutz der Schwächsten Nein – auf Anhieb fallen mir keine Menschen ein, die ich als Feinde bezeichnen würde. Mit Blick auf meine Arbeit als Präventionsbeauftragte und Geschäftsführerin einer Fachstelle für Kinder- und Jugendschutz im Erzbistum Hamburg eine sehr merkwürdige Überlegung. Ich hätte nie diesen Ausdruck für Menschen gewählt, die mir mit Widerstand begegnen oder diese als Widersacher in meiner Arbeit bezeichnet. Aber ja, ich erfahre Anfeindungen, weil ich für die katholische Kirche arbeite und mich in dieser für die Prävention von sexueller Gewalt einsetze. In meiner Arbeit in einem Themenfeld, was per se Widerstände und Ablehnung hervorruft, begegnen mir nicht nur Beschimpfungen von Betroffenen. Auch von Menschen innerhalb und außerhalb der Kirche, Kollegen und Mitarbeitern, für die ein solches Geschehen in kirchlichen Institutionen unbegreiflich ist oder es einfach nicht wahrhaben wollen, begegnen mir offene Widerstände, Boykotte, ja auch Anfeindungen. Ich höre oft: „Aber, nehmen Sie das nicht persönlich. Sie sind nicht gemeint, ich bin nur so wütend.“ Aha, ich soll dann differenzieren, aber mein Gegenüber nicht? Angefeindet zu werden, ist dennoch eine sehr persönliche und verwirrende Erfahrung zugleich, gerade, wenn man sich für grundlegende Menschenrechte und dem Schutz von Kindern und Jugendlichen einsetzt. Ich fühle mich oft an eine autobiographische Beschreibung von Mary Robinson erinnert. Sie beschreibt ihre Irritation darüber, wie sie als Präsidentin von Irland während ihrer zwei Amtszeiten eine allseits geachtete und respektierte Persönlichkeit war, die ein Höchstmaß an Sicherheit genoss, aber in ihrer Position als UN-Hochkommissarin für Menschenrechte plötzlich in Situationen geriet, denen sie schutzlos ausgeliefert war. Sie geriet sogar vor Augen begleitender Sicherheitskräfte in Lebensgefahr, ohne dass diese eingriffen. Sie erlebte Anfeindungen und wurde auf unterschiedliche Weise in der Ausübung ihres Amtes blockiert. Wir wissen heute, dass der sexuelle Missbrauch von Schutzbefohlenen immer mit krimineller Energie verbunden ist. Diese ist manipulativ, destruktiv, verletzend, unheilvoll und führt zu einer Spirale der Gewalt. Diese ist der eigentliche Feind. Auch die Offenlegung von sexueller Gewalt in einer Institution, ist mit vielerlei Dynamiken verbunden und ruft negative Gefühle auf allen Seiten hervor. Ich musste in all dem lernen, mit Anfeindungen, Boykotten und Abwertungen umzugehen. Auch war es ein Lernprozess, die eigenen Gefühle der Verletzung, der Wut wahrzunehmen, zuzulassen und dem Impuls, sich zu wehren, nicht nachzugeben, stattdessen die Herausforderung anzunehmen, gedul20 SCHWERPUNKT JESUITEN n SEPTEMBER 2016 n MEIN FEIND

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