Jesuiten 2016-3

eigene Identität. Der eigentliche Feind ist nicht immer ein anderer Mensch, der von außen in mein Leben einbricht, um mich zu quälen oder zu zerstören; er kann, selbst wenn der feindliche Mensch schon längst gestorben ist, in mir weiterleben und durch Hass, Ablehnung und Wut täglich neue Nahrung erhalten. Wenn wir Menschen in dem Maße eins mit uns und wir selbst sind, in dem wir lieben und bejahen können, dann ist der größte Feind derjenige, der uns zwingen will, ihn zu hassen. Nicht so sehr den Feind, den Hass muss man bekämpfen. Gegen ihn gibt es nur ein wirksames Mittel: die Vergebung. Ein Mittel freilich, das oft nur mühsam und durch ein schmerzhaftes Erleiden des eigenen Hasses, der eigenen Wut, zu haben ist … Wenn es im Evangelium heißt, dass wir unsere Feinde lieben sollen, dann geht es dabei vielleicht weniger um den Feind als vielmehr um uns selbst. Nur durch Feindesliebe – und das bedeutet, nur durch Vergebung – können wir unsere Identität schützen und bewahren. Können wir zu dem werden, der wir sein möchten. Zu jemanden, der ohne innere Grenzen lieben kann. Michael Bordt SJ 3 JESUITEN n SEPTEMBER 2016 n MEIN FEIND Eva Maria als Kind in Auschwitz, wo die meisten ihrer Familie in der Gaskammer ums Leben kamen. Auschwitz-Überlebende Eva Maria Kor gibt dem ehemaligen SS Oskar Göring die Hand. Foto: Archiv © EPA/Markus Goldbach

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