Jesuiten 2016-4

Wirtschaftswachstum Ein notwendiges oder verzichtbares Immer mehr? Kapitalismus und Wachstum gehören engstens zusammen. Es gibt historisch keine alternative Wirtschaftsform, die – jedenfalls in den kapitalistischen Kernländern und einigen Nachholern – ähnlich hohe langfristige Wachstumsraten aufzuweisen hätte. Eine gängige Erklärung für diese Tendenz verbindet ein Bild vom Menschen (für den es immer Güter gibt, von denen er gerne mehr hätte) mit der Vorstellung, dass es sich in „gut“ organisierten kapitalistischen Marktwirtschaften für Unternehmer rentiert zu investieren. Sie können damit immer mehr Kapital aufbauen, das eine quantitativ oder qualitativ höhere Güterproduktion ermöglicht. Unternehmen haben dabei einen Anreiz, die Güter zu produzieren, die den unersättlichen Konsum- und Besitzwünschen der potentiellen Abnehmer entsprechen, und wenn ihnen das gelingt, haben sie keine Probleme, ihre Produkte auch zu verkaufen und gute Gewinne zu machen. Dass es über massive Werbung möglich ist, die Konsumentenwünsche zu beeinflussen und auch Produkte minderer Qualität attraktiv zu machen, kann dabei nur helfen. Hohes Wirtschaftswachstum wurde lange Zeit als eine Tugend des Kapitalismus verstanden. Es hat jedoch auch seine Kehrseiten: Nach wie vor ist es begleitet von einem steigenden Ressourcenverbrauch und vielfältigen Formen der Umweltzerstörung – der Klimawandel ist nur ein besonders augenfälliges Beispiel. Sollten wir also auf Wachstum verzichten? Können wir auf Wachstum verzichten? Zeiten der Stagnation oder gar der wirtschaftlichen Schrumpfung sind in kapitalistischen Marktwirtschaften Zeiten der Krise. Der wichtigste Grund dafür ist der enge Zusammenhang zwischen Wachstum und Beschäftigung: Technischer Fortschritt führt zu einer ständigen Erhöhung der Produktivität – vor allem auch der Arbeitsproduktivität. Immer mehr Güter können von immer weniger Beschäftigten erstellt werden. Ohne Arbeitszeitverkürzung ist ein gegebenes Beschäftigungsniveau deshalb nur bei entsprechendem Wachstum aufrecht zu erhalten. Zeiten der Stagnation oder Rezession sind Zeiten wachsender Arbeitslosigkeit mit all ihren persönlichen und gesellschaftlichen Konsequenzen. Kein Wunder also, dass Wirtschaftswachstum weltweit eines der 14 SCHWERPUNKT JESUITEN n DEZEMBER 2016 Ein Weg in eine Wirtschaft ohne Wachstum wird schwierig sein.

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