Jesuiten 2016-4

Genug 2016/4 ISSN 1613-3889 Jesuiten

Titelfoto: Halb leer oder halb voll? Genug © fotolia/christianchan Ausgabe Dezember/2016 Jesuiten 1 Editorial Schwerpunkt 2 Es reicht! 4 Wo Zufriedenheit herkommt 6 Schöpferische Fülle – die Kunst des Lebens 8 Ist genug für alle da? 10 Kontrollierte Sehnsucht 12 Das „magis“ als ignatianische Versuchung 14 Wirtschaftswachstum 16 Einen Ort beim Namen nennen 18 Zivilisation der Genügsamkeit im Sinne von Laudato Si´ 19 Ökologische Umkehr konkret 20 So kann es gehen: Green Care in den Niederlanden Geistlicher Impuls 22 Ins Hören kommen und bleiben Der neue Generalobere 24 Pater General Arturo Sosa SJ Nachrichten 26 Neues aus dem Jesuitenorden Personalien 28 Jubilare 28 Verstorbene Aktuell 29 Johannes Siebner wird neuer Provinzial Nachrufe 30 Unsere Verstorbenen 33 Autoren dieser Ausgabe Die besondere Bitte 34 Kleine Gesten – große Wirkung 37 Standorte der Jesuiten in Deutschland

EDITORIAL Liebe Leserin, lieber Leser, kürzlich nahm ich an unserer Generalkongregation in Rom teil – ein seltenes und großes Ereignis für unseren Orden. Dort berieten 215 Delegierte aus aller Welt über unsere Situation, und wir stellten Weichen für die zukünftigen Aufgaben von knapp 17.000 Jesuiten in aller Welt. Neben anderem soll ein Schwerpunkt unseres Engagements bei den so brennenden ökologischen Fragen liegen – Papst Franziskus hat uns ja schon in seiner Enzyklika Laudato Si´ die Richtung aufgezeigt. Außerdem wählten wir einen neuen Generaloberen: Pater Arturo Sosa SJ (67) stammt aus Venezuela, einem Land voller Chaos, aber im Aufbruch. Pater Sosa hat Politik studiert und war Professor in Caracas und Provinzial seiner Heimatprovinz. In seinem Land hat er sich lange in sozialen und politischen Fragen engagiert; in den letzten beiden Jahren arbeitete er in unserer römischen Ordenszentrale mit. Auch mit dieser Wahl – erstmals leitet ein Nichteuropäer den Orden! – betonten wir einen Akzent der Generalkongregation: In der Nachfolge Jesu wollen wir Jesuiten uns für die Verbreitung des Glauben und für eine menschenwürdigere Welt engagieren: ökologisch, sozial, gewaltfrei und im Frieden der Kulturen, Religionen, Nationen…. Der Papst, mit dem wir eine sehr bewegende persönliche Begegnung hatten, zeigt uns, wie diese Aspekte zuinnerst zusammengehören und sich durchdringen. Das Thema dieser Ausgabe heißt „Genug“. Schon lange vor der Generalkongregation geplant, will es in einem wie gewohnt eher persönlichen Stil die dramatischen ökologischen Probleme unseres Planeten aufgreifen und sie ins Gespräch mit unserem Glauben und unserem christlichen Leben bringen. Ich danke Tobias Specker SJ und Fabian Moos SJ für die redaktionelle Gestaltung. Ihnen wünsche ich, dass die Artikel und Bilder Sie anregen für Ihren Glauben und für Ihre persönlichen Wege. Zu Weihnachten wünsche ich Ihnen von Herzen die Freude darüber, dass Gott sich unser erbarmt und uns im Kind in der Krippe seine nie endende Liebe und Größe zeigt. Ihnen den Frieden und die Ruhe des Christfestes! Stefan Kiechle SJ Provinzial Der Hl. Ignatius lädt ein, jeden Abend für etwa eine Viertelstunde mit einem liebenden Blick auf den Tag zurückzuschauen. Dieses Gebet hilft, mit Gott verbunden zu bleiben. Am klassischen Dreischritt des sog. „Examens“ orientiert sich auch die Grafik des Schwerpunktthemas: 1. Danken (gelb), 2. Widerstände (rot), 3. Hoffnungen (grün). 1 JESUITEN n DEZEMBER 2016 n GENUG

Es reicht! „Basta!“ – Genug! Es reicht! – Meine argentinische Freundin Maria spricht dieses Wort meist mit Nachdruck aus, und man sollte ihr dann besser nichts mehr erwidern. Es ist der Schlusspunkt in einem Gespräch, das Maria definitiv nicht weiterführen möchte. Basta ist auch das letzte Wort in einem Gebet des Heiligen Ignatius. Sein Hingabe-Gebet, innerer Zielpunkt der Exerzitien, endet mit der Bitte an Gott: „Gebt mir Eure Liebe und Gnade, das genügt mir.“ Auf Spanisch: „… ésta me basta.“ Basta, nicht als Ausdruck von Widerwillen und Überdruss, sondern von Zuversicht und Genügsamkeit. Spirituell sind beide Tonarten des Basta für mich hilfreich. Ich werde schon nicht zu kurz kommen! Eine Haltung, die ich immer wieder einüben muss. Erfahrungswerte sind dann gut und beschämend zugleich. Wie oft hatte ich Angst, zu kurz zu kommen, und wie oft war es unbegründet? In den vielen Ängsten, die uns umtreiben, ist die Angst, zu kurz zu kommen, angeblich die am meisten verbreitete. Sie treibt uns auseinander und steht unserem Wunsch entgegen, zu solidarischen Menschen zu werden. Jungen Eltern, nach ihren Erziehungszielen befragt, ist es wichtig, dass ihre Kinder teilen lernen. Teilen macht glücklich und zwar beide Seiten. Ich bin allen Eltern dankbar, die das mit ihren Kindern einüben, es ist gut in unsere Zukunft investiert! Denn in Deutschland plagt uns eine gewisse Existenzängstlichkeit. Die Wirtschaft kann boomen, wie sie will – wer die Frage aufwirft: Wird es wohl reichen?, kann mit Gefolgschaft rechnen. Manchmal komme ich auf meinem Übungsweg nur weiter, wenn ich ein kräftiges „Basta!“ zu mir selbst sage: „Genug! Genug der inneren Diskussion, deine inneren Bedenken und dein tatsächlich erlebter Mangel stehen in keinem Verhältnis, lass dich nicht schon wieder von der Angst, zu kurz zu kommen, ins Bockshorn jagen!“ Zudem hilft mir ein Gesichtsausdruck Jesu, meine befürchteten Mangelrechnungen einzustellen. Im Markusevangelium machen sich die Jünger, die zwei Brotvermehrungen miterleben durften, Sorgen, weil sie Proviant vergessen hatten. Ich kann mir Jesu Gesicht gut ausmalen, als er zu seinen Jüngern sagt: „Was macht ihr euch darüber Gedanken, dass ihr kein Brot habt? Begreift und versteht ihr immer noch nicht? Ist denn euer Herz verstockt? Erinnert ihr euch nicht?“ Doch, so direkt angefragt erinnern sich die Jünger. Und als Jesus weiter fragt, ob sie auch noch wissen, wie viele Körbe mit Brotresten jeweils übrig geblieben sind, müssen sie zugeben: Jeweils mehr als genug, einmal zwölf und das andere 2 SCHWERPUNKT JESUITEN n DEZEMBER 2016

Mal sieben Körbe voll. Ob Jesus dann wirklich seine Schultern hob, die Hände ausstreckte, als ob er sagen wollte: „Na also, wo ist das Problem?!“, steht nicht im Text. Ich aber sehe ihn so vor seinen Jüngern stehen, wenn er die ganze Diskussion abschließt mit: „Versteht ihr immer noch nicht …“ (vgl. Mk 8,17-21). Jesus mir so auszumalen, ist spirituell heilsam für mich. Für den Blick der Jünger müsste ich nur in den Spiegel schauen. Das braucht’s aber in aller Regel nicht, ich weiß ja, wie ich schaue, wenn ich zugeben muss: „Ja, ja, ist gut, ich hab’s verstanden.“ Solidarisch leben, genügsam, nicht so ängstlich, sondern zuversichtlich sein. Das ist die Übungslinie, der ich folge. Es hilft mir, ein Dankbarkeitstagebuch zu führen. Das ist keine große Sache. Ich notiere jeden Tag ein bis drei Dinge, Erlebnisse, Erkenntnisse, für die ich dankbar bin. Für mich ist Dankbarkeit der Königsweg, um mich dem „Basta“ des Hingabe-Gebets anzunähern. Das von meiner Freundin Maria nehme ich auch mit. Es hilft mir, meinen Übungsweg hin und wieder wohltuend abzukürzen. Bernhard Heindl SJ 3 JESUITEN n DEZEMBER 2016 n GENUG ©fotolia/tibanna79

Wo Zufriedenheit herkommt Woher kommt Zufriedenheit sprachlich? „Zufrieden“ ist ursprünglich kein Zustandswort, sondern benennt den Vorgang, wie wir selbst „zu Frieden kommen“ oder andere “zu Frieden bringen“, also eine zielgerichtete Bewegung. Das Ziel des Friedens (Ruhe, Schweigen der Waffen, sichere Grenzen) und das zu verschmolzen in der Sprachgeschichte zu einem Wort: zufrieden. Zufrieden wie ein gestilltes Baby können auch Erwachsene sein, wenn Bedürfnisse befriedigt sind, Bedürfnisse nach Bindung, Sicherheit, Nahrung, Sexualität, Nähe, Sauberkeit und Kleidung. Vor einigen Jahren drückte mir eine Mutter ihren Säugling mit dem Fläschchen in die Hand, während sie selbst einen wichtigen Termin hatte. Ich gab dem Baby die Flasche: Es nuckelte, beruhigte sich, fing dann aber an zu schreien. Die Sequenz Nuckeln – Beruhigung – Schreien wiederholte sich noch einige Male. Der Säugling konnte mir nicht sagen: „Da kommt gar keine Milch heraus!“. Weder Baby noch Babysitter waren zufrieden – ich hatte nicht darauf geachtet, ein kleines Verschluss-Plättchen zu entfernen. Zum Glück ist aus dem Baby inzwischen ein großer und kräftiger Mann geworden. Die meisten Bedürfnisse teilen wir mit den uns verwandten Säugetieren. Tiere und Menschen können in der Regel gegenseitig spüren, ob sie zufrieden sind oder nicht. Wo aber liegt der Unterschied zwischen Tier und Mensch? Unser menschlicher Instinkt ist nicht so gut wie der unserer tierischen Mitgeschöpfe. Zwar bewegen wir uns wie die Tiere aus unserer Mitte heraus auf Ziele zu, die uns zufrieden machen. Aber zugleich sind wir in der Lage, unser Bewegen und Wahrnehmen zu beobachten, zu reflektieren. Außerhalb unserer Mitte haben wir einen zweiten, einen „exzentrischen“ Standpunkt (Helmuth Plessner), der es uns möglich macht, über die jetzige Situation hinauszudenken – was aber auch Unsicherheit, Heimatlosigkeit, Scham mit sich bringt. Wir sind in „animalischer“ Weise triebgesteuert („spitz wie Nachbars Lumpi“), aber auch „Neinsagenkönner“, wie Max Scheler sagt. Aus der menschlichen Heimatlosigkeit, aus unserem Neinsagenkönnen ergibt sich, dass Befriedigtsein und Zufriedensein nicht dasselbe sind. Sicher: wir kennen den behaglichen Zustand des Satt-, Entspannt- und nicht-mehr-Durstigseins, vielleicht auch des Rausches. Letzterer macht vorüberge4 SCHWERPUNKT JESUITEN n DEZEMBER 2016 Augustinus: „Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir!“

hend zufrieden, wenn er in Maßen genossen wird. Andernfalls führt er zum „Kater“. Aber wirklich zufrieden macht uns nicht ein Befriedigungszustand, sondern die Zu-Frieden-Bewegung, also ein Begehren, das über die bloße Bedürfnisbefriedigung hinausgeht. Augustinus drückt es in den „Bekenntnissen“ so aus: „Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir!“. Solange wir leben, sind wir „unruhig“; wirkliche „Ruhe“, Zufriedenheit ist transzendent, ist jenseits der Grenzen unserer Bedürfnisbefriedigungs- und Wunscherfüllungswelt. Augustinus spricht in dem eben zitierten Satz Gott an, macht eine Aussage über das transzendente „Ruhen“. Aber auch, wenn das Ruhen in Gott weit weg und unerreichbar scheint: Die Unruhe des Begehrens, die wir jetzt spüren, lässt uns ahnen, wohin wir uns bewegen: zum Frieden hin. 1946, sechs Jahre vor seinem Tod, formulierte der heilige Alberto Hurtado SJ die Haltung der Freude mitten in einem engagierten Leben: „Und so sind wir zufrieden, immer zufrieden. Die Kirche und die christlichen Häuser müssen Zentren der Freude sein. Ein Christ ist immer fröhlich, denn ein Heiliger, der traurig ist, ist ein trauriger Heiliger. So gehen Stoßgebete, die aus der Tiefe der Seele kommen: „Zufrieden bin ich, Herr, zufrieden!“ (contento, Señor, contento). Eckhard Frick SJ © fotolia/Jenny Sturm 5 JESUITEN n DEZEMBER 2016 n GENUG

Schöpferische Fülle – die Kunst des Lebens Ich erwache aus einer bewegten Nacht. Mit dem Eindruck, wieder in eine so komplizierte Welt hineinzumüssen. Mein Körper rettet mich. Beim Yoga muss ich erst einmal nichts tun, um in ihr zu sein. Nur spüren, was alles in mir wiegt und zittert. In diesem Leben folge ich einem inkarnierten Gott. Hinter meinen Augenlidern schaue ich auf ihn. Meine Anziehung zu ihm findet ihren Ausdruck in der Torheit Mariens, die seine Füße mit Parfüm salbt. Mein Skrupel spricht durch Judas: „Und die Armen?“ Jetzt aber hat Schönheit Priorität. Der unnötige Duft der Bewunderung soll die Welt erfüllen. Als Künstler müssen wir die Welt umarmen, nicht erobern. Verwandeln? Durch den Blick. Leben ist zuerst Gabe, nicht Aufgabe. Auf der Straße sehen die Leute blass und traurig aus. Der unendliche Louvre würde mich retten. Aber kilometerlange Malerei ist auch leblos: Ich würde sie bloß konsumieren. Wie die Produktreihen im Supermarkt, deren irdischen, göttlichen Ursprung wir vergessen haben. Kunst erreicht mich in Schlichtheit. Eine alte Postkarte auf meiner Tür erfüllt meinen Tag mit ausreichender Schönheit. Ein listiger Engel von Klee, aus einer Bleistiftlinie. Oder glänzende schwarze Farben von Soulages. Oder das anonyme Kreuz eines anonymen Gottes. Sinn in knappster Form, mitten im Absurden. So werden jetzt alle Menschen Kunst in meinem Blick, in ihrer unerreichbaren Einmaligkeit. Und die weite Welt, bald zerstört von uns. Von unserer Gleichgültigkeit, wenn meine, deine Kontemplation ihr keine Existenz verleiht. Wahrnehmen heißt Mitschöpfer sein. Ich gehe ins Theater, nicht weil ich diese Sprache verstehe, sondern damit sie mich verletzt. Und in mir weiterlebt. Der Schauspieler wirft den nächsten Satz vor sich hin – und wartet, bis er in uns nachklingt. Auch ich spiele, nie allein. Selbst beim Proben eines Monologs auf der Straße muss ich jeden Satz aus der Stille herausreißen. Und vergessen, dass ich ihn kenne, damit er neu erklingt. Die Vielfalt der Gedanken und Zeiten lässt mich endlich in Ruhe. Ich bin nur dieser Satz. In jeder Begegnung meines Tages wird sich das gleiche Drama abspielen. Die geheimsten Botschaften meiner Mitmenschen werde ich nur aufnehmen, wenn ich mich nackt mache von dem, was ich schon glaube zu wissen. Wenn ich ihre ansprechenden Gesichter als die einzige Nachricht Gottes für mich jetzt betrachte. Leben heißt Künstler sein. Verantwortlich für die einmalige Rolle meines Lebens. Und für das ganze Stück: „für alles, für alle, vor allen“, wie Dostojewski schrieb. Julien Lambert SJ 6 SCHWERPUNKT JESUITEN n DEZEMBER 2016

© fotolia/robert 7 JESUITEN n DEZEMBER 2016 n GENUG

Ist genug für alle da? Sanft streicht der Wind durch das Getreide. Das Feld reicht bis zum Horizont. In die friedliche Stimmung wird der Bibelvers aus Genesis 2,15 eingeblendet: „Und Gott, der Herr, nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, damit er ihn bebaue und bewahre.“ Dann werden die wettergegerbten Gesichter eines Mannes und einer Frau gezeigt, und aus dem Off spricht Papst Franziskus: „Ich danke dir, Kleinbauer, für den unentbehrlichen Beitrag, den du für die ganze Menschheit leistest.“ Seit Anfang des Jahres präsentiert Papst Franziskus die Gebetsanliegen für den jeweiligen Monat in eineinhalbminütigen Videobotschaften, die viel Aufsehen erregt haben. Im Monat April bittet er um das Gebet für die Kleinbauern, laut Zahlen der Weltbank immerhin 1,5 Milliarden weltweit. Es ist charakteristisch für Franziskus, dass er nicht nur mit Dankbarkeit und Wertschätzung auf das Geschenk der Schöpfung schaut, sondern auch auf den Menschen, der in ihr arbeitet und ihre Gaben für alle nutzbar macht. Das birgt aber auch Sprengstoff. „Ich frage mich“, fährt Franziskus fort, „ob deine Arbeit entsprechend honoriert wird. Es ist nicht richtig, dass einige wenige dieses Geschenk Gottes ausbeuten, während die Mehrheit von diesen Gaben ausgeschlossen bleibt.“ Gerade diese Kleinbauern zählen zu den Menschen, die am stärksten von Armut und Hunger bedroht sind. Missernten sind sie oft schutzlos ausgeliefert, sie bedrohen ihre Existenz. Paul Desmarrais ist Jesuitenbruder und Landwirt. Ursprünglich stammt er aus Kanada, seit fast 40 Jahren lebt und arbeitet er in Sambia. Über die Jahre hat er das Kasisi-Agricultural-Training-Center aufgebaut. Dort arbeiten er und sein Team mit den Kleinbauern zusammen, um Kenntnisse zu vermitteln und die Lebensbedingungen zu verbessern. Die Wertschätzung dieser Menschen wird so ganz konkret. Aber die Probleme sind mannigfaltig. Einmal die alltäglichen Probleme wie die unsichere Stromversorgung oder schlechte Straßen. Dann aber auch Fragen, die die Ökologie betreffen: Wie kann der zunehmenden Rodung der Bäume begegnet werden, aus denen Holzkohle für die Städte hergestellt wird? Was kurzfristig die Energieversorgung sichert, lässt auf lange Sicht Buschland zur Wüste werden. Was passiert, wenn die kurze Regenzeit, von der die Kleinbauern abhängen, ihre Regelmäßigkeit verliert? Was kann getan werden, um dem Konflikt zwischen wachsender Bevölkerung und traditionellem Wanderfeldbau zu begegnen? Bruder Paul und sein Team wollen die Menschen nicht mit diesen Fragen alleine lassen. Und so kommen die Kleinbauern auf den Pilotbauernhof von Kasisi, um Kurse zu besuchen und sich inspirieren 8 SCHWERPUNKT JESUITEN n DEZEMBER 2016

zu lassen von alternativen Bewirtschaftungsweisen. Aber auch Mitarbeiter fahren hinaus auf die Höfe der Kleinbauern, um mit ihnen Bäume zu pflanzen oder die nächsten Schritte beim Aufbau einer eigenen Rinderherde zu planen. Paul hat viele Ideen, was man noch realisieren könnte. So baut im Moment ein Schweizer Landwirt als Freiwilliger eine Käserei in Kasisi auf. Es ist ein Beitrag zu einer besseren und ausgewogeneren Ernährung der Menschen. Der weiße Pickup kommt am staubigen Straßenrand zum Stehen. Bruder Paul steigt aus und läuft einige Meter weit in das saftige Grün des Gerstenfeldes hinein, um die Pflanzen zu begutachten. Sanft biegen sich die Halme im Wind. Als Paul wieder ins Auto steigt, sagt er unter herzhaftem Lachen: „Wenn ich könnte, würde ich gerne noch einmal leben. Aber mit dem Wissen und der Erfahrung, die ich heute habe.“ Neben dem Humor ist eines spürbar: tiefe Dankbarkeit für den Weg des Lernens und Lebens mit den Menschen hier. Claus Recktenwald SJ © fotolia/yankushev 9 JESUITEN n DEZEMBER 2016 n GENUG

Kontrollierte Sehnsucht Kontrolliertes Trinken ist ein Programm für Alkoholiker. Viele Abhängige würden sich wünschen, ihre Abhängigkeit kontrollieren zu können. Das Programm Kontrolliertes Trinken ist schon mehrfach ausgewertet worden, es hat offenbar Potential für Alkoholabhängige. Aber bei starkem Konsum von Alkohol und anderen Drogen wird das Ziel kontrollierte Abhängigkeit fast unerreichbar. In einem Gespräch zwischen zwei Abhängigen hat Herbert darüber nur müde gelächelt, als sein Freund es vorhatte: „Ein Heroinabhängiger, der sich selbst kontrollieren will, wo hast Du denn schon mal so was gehört!“ Fünf Flaschen Bier am Tag, jeden Tag zwei Valium, Benzodiazepine, Tilidin, Kokain, Crack; das sind Konsummengen, die unter Abhängigen üblich sind. Da wird eigene Kontrolle unmöglich, es braucht fremde Hilfe. Aber muss dann wirklich für immer Schluss sein mit einem Glas Wein, einer Zigarette oder mit einer Pfeife vor dem Kamin? Ist völliger Verzicht der einzige Umgang mit süß gewordenen Anhänglichkeiten? Kontrollierte Sucht, gibt es das? Und was ist mit der Sehnsucht? Sehnsucht klingt nach Romantik, und niemand will kontrollierte Romantik. Genauer bedacht ist der Ausdruck Sehnsucht aber verdächtig: Sehnen verbinden wir im Deutschen gewöhnlich mit Positivem, Sucht aber nicht. Sucht setzt sich gewöhnlich durch, Sehnen hingegen nicht immer. Auch wenn es tief in mir ist, kann mein Sehnen durch Anderes überdeckt werden oder durch Allzutägliches erstickt. Sehnen hat mich schon oft weitergeführt in meinem Leben, und es war gut, auf seine leisen Impulse zu hören. Kann ein Sehnen auch zur Sucht werden? Wohl schon, ich erinnere mich, dass sie mich schon oft gequält hat, mir schmerzliche Abende oder durchwachte Nächte bereitet hat. Oder auch: dass Sehnsucht mich und Andere nur selten frei gemacht hat, egal ob sie mich zu einer Person gedrängt hat, zu einer Musik oder zu etwas Anderem. Das erinnert mich an ein Lied von Police: „Every breath you take, every mile you make, I’ll be watching you”. Wenn es Sting gesungen hat, habe ich mich daran kaum satt hören können, und noch heute höre ich es gern. Inzwischen ist mir bei diesen Worten aber nicht mehr ganz wohl… So sehr ich mich danach sehne, von Anderen geliebt und angenommen zu werden – jemand, der jeden Atemzug von mir hören will, ist mir unheimlich. Ohne Sehnen und tiefe Wünsche kann ich nicht leben. Sie machen mein Leben bunt. „Das Sehnen lässt alle Dinge blühen, der Besitz zieht alle Dinge in den Staub“, so Marcel Proust. Aber manchmal wird das Sehnen zur Sucht. Was dann? Gibt es dafür eine Lösung? Ist kontrollierte Sehnsucht eine Aussicht? Ansgar Wucherpfennig SJ © fotolia/oksix 10 SCHWERPUNKT JESUITEN n DEZEMBER 2016

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Das „magis“ als ignatianische Versuchung Ein Gespräch zwischen Joachim Hartmann SJ und Annette Clara Unkelhäußer Annette Clara Unkelhäußer: Was bedeutet für Dich das Wort „magis“? Joachim Hartmann SJ: Das Wort „magis“, im Deutschen „mehr“, kennzeichnet für mich ein dynamisches Prinzip der Ignatianischen Spiritualität auf Entfaltung und Fruchtbarkeit hin. Ein positives Prinzip also. Wie passt das jetzt zu unserer kritischen Perspektive der Versuchung des „magis“ in Richtung eines „Zuviel“? Aus meinen Erfahrungen in der Seelsorge ist mir bewusst geworden, dass das Wort vom „Mehr“ anders ankommen und verstanden werden kann. Durch die Seelsorge hast du also einen neuen Blick auf die Schattenseite des „magis“ gewonnen. Was sind Deine Erfahrungen? Das Wort „mehr“ wird oft mit mehr Effizienz und Leistung verbunden: immer besser, immer schneller, immer weiter. Hier begegne ich den Symptomen und Auswirkungen einer Leistungsgesellschaft. Die Menschen brauchen in Exerzitienkursen auffallend mehr Zeit bis eine körperliche und seelische Erholung eintritt. Erst wenn diese Grundlage geschaffen ist, kann der geistliche Weg gut beginnen. Kannst du ein Beispiel für das bisher Gesagte geben? Mir fällt ein Arzt ein, der eine super Stelle angeboten bekommen hatte: mehr Ansehen, mehr Gehalt, weitere Aufstiegsmöglichkeiten. Mit der Entscheidungsfrage für oder gegen dieses Angebot ist er in die Exerzitien gekommen. Im Prozess kam für ihn überraschend Unruhe auf mit Blick auf die Annahme dieses Karrieresprungs. Trost und Zufriedenheit stellten sich ein beim Gedanken an einen Verzicht auf dieses „Mehr“. Die innere Resonanz hatte etwas anderes angezeigt, als eine erste Selbsteinschätzung und äußere Erwartungen und Maßstäbe. Das Weniger beinhaltete für ihn hier ein Mehr. Mehr in Kontakt mit sich zu sein, hat also für den Arzt etwas geklärt. Könnte das „magis“ heute also heißen, zunächst mal mehr bei sich selbst anzukommen? Ja, genau! „Magis“ bedeutet, das mehr wahrzunehmen, was zu mir gehört, was mich ausmacht. Es geht darum, meinen (!) Platz im Leben zu finden. Kann es sein, dass das jesuitische Leitmotiv „Alles zur größeren Ehre Gottes“ zu Missverständnissen führt im Sinne von „Streng Dich an!“, „Du musst mehr leisten und Dich mühen“? 12 SCHWERPUNKT JESUITEN n DEZEMBER 2016

Durchaus. Das ist die Schattenseite eines falsch verstandenen „Mehr“. Was ist Deine Vision vom „magis“? Hier gefällt mir der Satz des Irenäus von Lyon: „Die Ehre Gottes ist der lebendige Mensch“, also ein Mensch, der in Kontakt mit sich selbst ist. In diese Richtung geht auch das „den Seelen helfen“ des Ignatius. Auch ist für mich die Unterscheidung zwischen Leistung und Fruchtbarkeit, wesentlich. In den Gleichnissen Jesu geht es um Wachstum und Fruchtbarkeit wie es etwa im Gleichnis vom Weinstock und den Reben (Joh 15) ausgedrückt wird. Aus dem Verwurzeltsein in der Beziehung mit Gott erwachsen Selbstwerdung und Entfaltung der Begabungen, die in einem angelegt sind. Diese Verbindung mit Gott gibt dem Leben „Saft und Kraft“. Viele Menschen leiden heute unter einem Burnout. Kann gerade die Ignatianische Spiritualität hier heilsam wirken? Ja! Beim Burnout geht es darum, dass jemand längere Zeit an sich vorbei gelebt hat und nicht mit dem Weinstock verbunden war. Das führt dann dazu, dass ich innerlich austrockne oder ausbrenne. Ignatius empfiehlt, das innere Gespür für sich selbst nicht zu verlieren, sondern zu entwickeln. Genau hier setzt Seelsorge an, wie ja das Beispiel des Arztes zeigt. Die Exerzitien weisen einen Weg zu sich selbst, zu Gott und zu erfüllten Beziehungen. © SJ-Bild 13 JESUITEN n DEZEMBER 2016 n GENUG

Wirtschaftswachstum Ein notwendiges oder verzichtbares Immer mehr? Kapitalismus und Wachstum gehören engstens zusammen. Es gibt historisch keine alternative Wirtschaftsform, die – jedenfalls in den kapitalistischen Kernländern und einigen Nachholern – ähnlich hohe langfristige Wachstumsraten aufzuweisen hätte. Eine gängige Erklärung für diese Tendenz verbindet ein Bild vom Menschen (für den es immer Güter gibt, von denen er gerne mehr hätte) mit der Vorstellung, dass es sich in „gut“ organisierten kapitalistischen Marktwirtschaften für Unternehmer rentiert zu investieren. Sie können damit immer mehr Kapital aufbauen, das eine quantitativ oder qualitativ höhere Güterproduktion ermöglicht. Unternehmen haben dabei einen Anreiz, die Güter zu produzieren, die den unersättlichen Konsum- und Besitzwünschen der potentiellen Abnehmer entsprechen, und wenn ihnen das gelingt, haben sie keine Probleme, ihre Produkte auch zu verkaufen und gute Gewinne zu machen. Dass es über massive Werbung möglich ist, die Konsumentenwünsche zu beeinflussen und auch Produkte minderer Qualität attraktiv zu machen, kann dabei nur helfen. Hohes Wirtschaftswachstum wurde lange Zeit als eine Tugend des Kapitalismus verstanden. Es hat jedoch auch seine Kehrseiten: Nach wie vor ist es begleitet von einem steigenden Ressourcenverbrauch und vielfältigen Formen der Umweltzerstörung – der Klimawandel ist nur ein besonders augenfälliges Beispiel. Sollten wir also auf Wachstum verzichten? Können wir auf Wachstum verzichten? Zeiten der Stagnation oder gar der wirtschaftlichen Schrumpfung sind in kapitalistischen Marktwirtschaften Zeiten der Krise. Der wichtigste Grund dafür ist der enge Zusammenhang zwischen Wachstum und Beschäftigung: Technischer Fortschritt führt zu einer ständigen Erhöhung der Produktivität – vor allem auch der Arbeitsproduktivität. Immer mehr Güter können von immer weniger Beschäftigten erstellt werden. Ohne Arbeitszeitverkürzung ist ein gegebenes Beschäftigungsniveau deshalb nur bei entsprechendem Wachstum aufrecht zu erhalten. Zeiten der Stagnation oder Rezession sind Zeiten wachsender Arbeitslosigkeit mit all ihren persönlichen und gesellschaftlichen Konsequenzen. Kein Wunder also, dass Wirtschaftswachstum weltweit eines der 14 SCHWERPUNKT JESUITEN n DEZEMBER 2016 Ein Weg in eine Wirtschaft ohne Wachstum wird schwierig sein.

zentralen Ziele von Wirtschaftspolitik ist und immer wieder sogar zu mehr Konsum ermuntert wird. Ein weiterer Grund dafür ist, dass Verteilungskonflikte in einer wachsenden Wirtschaft entschärft werden, während sich in einer schrumpfenden Wirtschaft notwendigerweise die wirtschaftliche Situation von Teilen der Bevölkerung verschlechtert, was Konflikte natürlich eher verstärkt. Dabei geht es nicht nur um den Konflikt zwischen Arm und Reich. Angesichts eines wachsenden Anteils an Alten in der Bevölkerung können etwa Renten ohne wachsende Belastung der erwerbstätigen Bevölkerung nur konstant bleiben, wenn die Wirtschaft wächst oder andere Ausgaben eingeschränkt werden. Ähnliches gilt für – notwendige oder doch wünschenswerte – Ausgaben wie z.B. für das Gesundheitswesen oder Bildung. Verteilungskonflikte werden durch die hohe Staatsverschuldung noch weiter verschärft: Bei einer stagnierenden oder schrumpfenden Wirtschaft kann der Staat seine fälligen Schuldendienste nur leisten, wenn er entweder Steuern erhöht oder Leistungen einschränkt. All das bedeutet nicht, dass zukünftig Wachstum garantiert und wünschenswert sein wird, aber dass ein Weg in eine Wirtschaft ohne Wachstum schwierig sein wird: Er wird umkämpft sein, und dass er von Krisen begleitet sein wird, ist eine reale Gefahr. Andreas Gösele SJ © fotolia/JensHN 15 JESUITEN n DEZEMBER 2016 n GENUG

Einen Ort beim Namen nennen Loyola, Cardoner, Manresa – diese Namen sind in der jesuitischen Welt etwa so häufig wie bei uns Tom, Dick und Harry. Sei es in Kolumbien, Kanada oder Kambodscha, wo immer Sie jesuitische Werke oder Kommunitäten finden, werden Sie sehr bald auf einen dieser drei Namen stoßen. Was bei dieser großen Universalität verloren geht, ist die geographische Einzigartigkeit, die hinter einem jeden dieser Namen steckt. In dem stillen Weiler namens Loyola wurde der Hl. Ignatius geboren und aufgezogen, tief versteckt in den Hügeln des Baskenlands. Er empfing eine spirituelle Erleuchtung am Ufer des Flusses Cardoner, der sich singend und springend durch etwa 100 km Kataloniens schlängelt. Manresa, eine Kleinstadt unweit des Cardoner, versorgte Ignatius mit einer netten Höhle, wo er elf Monate verbrachte, um sorgfältig seine spirituellen Hausaufgaben zu machen. Bei der jesuitischen Neigung, fast alles auf geographische Namen zu taufen, könnte man meinen, dass wir sehr ortsgebunden seien. Das ist aber ein Irrtum. Wir Jesuiten sind im Gegenteil stolz auf unsere Rastlosigkeit. Dank unserer Heimatlosigkeit sind wir überall hingerauscht, wohin der Geist weht, in fast jedes Land auf der Karte. Doch heutzutage ist es vielleicht Zeit, unsere Steppenläufer-Tendenzen zu überdenken. Es ist vielleicht Zeit, Stabilität zu finden. Denn die Gefahr bei dem pausenlosen Hin und Her ist, dass wir den Kontakt zu dem Ort verlieren, an dem wir uns nunmal gerade befinden. Und wo wir uns gerade befinden, ist ein heiliger Ort. Eine bestimmte Vegetationszone. Und ein bestimmter Komplex gastronomischer, künstlerischer, politischer, religiöser und anderer kultureller Traditionen, die aus dem spezifischen, lokalen Boden emporgewachsen sind. Wenn wir uns um die Erde, unser gemeinsames Haus, kümmern wollen, dann müssen wir zuhause beginnen, genau dort, wo wir sind. Loyola House, ein Exerzitienhaus in Guelph, Ontario, Kanada, hat sich diese Lektion zu Herzen genommen. Zu ihm gehören auf einer Fläche von 600 Morgen Land eine zertifizierte Bio-Landwirtschaft, Gemeinschaftsgärten und Wälder. Wir sprechen von diesem Ort nicht als unserem Eigentum, sondern eher als dem „Land“. Wir werden uns immer mehr bewusst, wie dieses Land an der Mission der Glaubensverkündigung und dabei, „den Seelen 16 SCHWERPUNKT JESUITEN n DEZEMBER 2016 n GENUG Wenn wir uns um die Erde kümmern wollen, dann müssen wir zuhause beginnen.

zu helfen“, mitarbeitet. Die Exerzitanden, die zum Gebet hierher kommen, merken, dass sie auf irgendeine Weise mit dem Land beten, d.h. das Land selbst schließt sich ihrem Beten an. Wir haben gelernt, dass das Land liebenswert und einzigartig ist, ganz wie jede einzelne Person auf dem Planeten. Aus diesem Grund haben wir daran gearbeitet, seine Persönlichkeit zu schützen, indem wir z.B. den kleinen Damm entfernt haben, der den Flussarm Marden Creek kontrollierte, da der aufgezwungene Damm die Persönlichkeit des Landes wie ein herrischer Bruder unterdrückte. Er hatte die einheimische Forellenpopulation verschwinden lassen und dem invasiven Karpfen Tür und Tor geöffnet. Jim Profit SJ, ehemaliger Direktor von Loyola House, pflanzte aus Wertschätzung für das Land sogar einen Urwald. Er erreichte, dass er treuhänderisch verwaltet wird, so dass niemand, sei es auch ein späterer Direktor oder Provinzial, die Verwendung des Waldes oder der Flächen neu bestimmen und sie verkaufen könnte. Loyola House, das den Namen des Heimatlandes des Ignatius trägt, lehrt uns, Missionare des Hier und Jetzt zu sein, Mystiker des Landes. Es sendet uns aus, uns dort niederzulassen, wo wir sind, und die Erde dort zu lieben, wo wir stehen. In dieser Sache nimmt es seinen Namen ernst. Greg Kennedy SJ 17 JESUITEN n DEZEMBER 2016 n GENUG © Ignatius Jesuit Centre Loyola House in Guelph, Ontario, Kanada

Zivilisation der Genügsamkeit im Sinne von Laudato Si´ Wie würde eine Gesellschaft aussehen, die nicht von einem „Immer mehr“ (für einige wenige), sondern von einem „Genug“ (für alle) geprägt wäre? In der Befreiungstheologie hat sich der Begriff „Zivilisation geteilter Genügsamkeit“ herausgebildet. Gemeint ist im Kern die Idee einer Gesellschaft, die die Befriedigung der Grundbedürfnisse aller Menschen, jetzt und in späteren Generationen, zum Ziel hat, und die außerdem nicht auf Herrschaft, Akkumulation und Konsum ausgelegt ist, sondern auf Solidarität, Genügsamkeit und Kreativität. Solidarisch mit den Armen, genügsamer im Lebensstil, kreativ im Problemlösen, Recyclen, Gestalten von Beziehungen und Lebensräumen. Vielleicht brauchen wir das heute mehr denn je: Statt noch mehr Kritik ein anziehendes Alternativmodell. Eine Orientierung an einer Vision, ja einer Utopie motiviert schließlich viel mehr als ein permanent schlechtes Gewissen. Aber wie kann man dabei das „Abheben“, die unfruchtbare Träumerei verhindern? Und ist der Zug nicht ohnehin schon abgefahren? Die Struktur der sehr lesenswerten Sozial- und Umwelt-Enzyklika Laudato Si´ von Papst Franziskus zeigt, wie es gelingen kann, beide Straßengräben – Träumerei und Resignation – zu vermeiden: Es braucht sowohl eine ehrliche Betrachtung der ganzen Wirklichkeit, mit all ihrer Schönheit und ihren Schattenseiten, zu denen die globale öko-soziale Krise gehört; als auch eine Analyse der vielfältigen Ursachen dieser Krise. Auf dieser Basis kann dann eine positive Vision entwickelt werden. Diese Vision muss sich aber aus tiefen Wurzeln speisen, sonst zerfällt jedes noch so kluge Gedankengebäude. Eindrücklich weist der Papst auf, welche ungehobenen Schätze in der christlichen Tradition schlummern, die ein beherztes Engagement für die Umwelt begründen können. Und dass ein solches Engagement tiefer in den Glauben führt und uns als Christen neu glaubwürdig macht. Und schließlich: Eine Vision hat nicht die Aufgabe, bereits Details zu benennen und alle Probleme zu lösen. Es reicht, wenn sie uns in Bewegung setzt und unsere Kreativität beflügelt. Die Details werden sich nach und nach ergeben, die Mittel zum Ziel müssen per „trial and error“ ausprobiert werden. Es geht ja um nicht weniger, als darum, unsere Gesellschaft grundlegend umzugestalten – und zugleich wichtige Errungenschaften wie die medizinische Versorgung, Bildungsmöglichkeiten etc. zu erhalten oder gar auszubauen. Es ist ein offener Prozess oder, wie der Papst schreibt: „eine große und schöne Herausforderung“. Fabian Moos SJ 18 SCHWERPUNKT JESUITEN n DEZEMBER 2016 n GENUG

Ökologische Umkehr konkret Seit meiner Grundschulzeit in den frühen Neunzigern beschäftige ich mich mit der Frage, wie wir unsere Umwelt schützen können. Das Thema wurde mir gleichsam in die Wiege gelegt, da ich auf einem Bioland-Bauernhof aufwuchs. Von Mülltrennung über Anti-Atomkraft-Demos, Leserbriefe zu Umweltfragen und einem Studium der Umweltethik, bis hin zum Verzicht auf ein eigenes Auto und natürlich die Mitarbeit auf dem Familienbetrieb, haftet mir das Thema „Nachhaltigkeit“ seit Jahrzehnten an wie manchem meiner Altersgenossen das Rauchen. Seit meinem Eintritt in den Orden 2008 versuche ich, durch ganz konkrete Handlungen etwas zu verändern und infolge dieser Handlungen Bewusstsein zu schaffen. Im Noviziat begannen wir eine Kooperation mit einem regionalen Bioversand. In meiner Hamburger Zeit bat ich darum, für den Einkauf zuständig zu sein, und kaufte so gut es ging Bioprodukte. Und während meines Studiums in den USA fing ich stillschweigend an, die Lichter aus- und die Türen zuzumachen, wenn es hell war bzw. wenn geheizt wurde – um nur zwei kleine Beispiele zu nennen in einem Land, in dem Recycling im Jahr 2016 so revolutionär klingt wie in manchen Staaten der Ruf nach Abschaffung der Todesstrafe. Vielfach mache ich es mir und den Menschen in meinem Umfeld mit diesen Handlungen schwer. Doch sind es genau diese Dinge, die im Alltag den Unterschied machen, wenn wir uns fragen, wie wir die Welt aus der Perspektive von nachhaltigem Handeln ein Stückchen besser machen können. Und doch ist die Welt gerade deshalb nicht ideal, weil sie real ist. Nicht ganz ohne Reibungen durfte ich im Spannungsfeld aus Idealismus und Realität lernen, dass es im Letzten auf zwei Dinge ankommt. Erstens: Geh mit gutem Beispiel voran. Wenn Du willst, dass andere Öko-Vegetarier werden, dann sei’s einfach selbst. Zweitens: Bleib moderat. Umweltschutz ist ein so komplexes Thema, dass man jedem jederzeit Vorhaltungen machen könnte. Doch du wirst letztlich nur die erreichen, die ein offenes Ohr dafür haben. Die anderen stößt du nur vor den Kopf und verhinderst dadurch wahrscheinlich eine inhaltliche Auseinandersetzung. Und wenn du gelegentlich selbst in eine Form der Bequemlichkeit rutschst, von der du weißt, dass sie der Umwelt schadet, dann halte es aus, dass du genauso ein Sünder bist wie die Menschen um dich herum. Bei allem Guten, das du sicher immer noch besser machen kannst, kannst du dich auch fragen, was gut genug ist, um auch künftigen Generationen Leben zu ermöglichen. Simon Lochbrunner SJ 19 JESUITEN n DEZEMBER 2016 n GENUG

So kann es gehen: Green Care in den Niederlanden In den Niederlanden ist die Anzahl der Green Care Bauernhöfe in den letzten Jahren explosionsartig angestiegen. Die brancheneigene Webseite zählt nun 791 Höfe, von denen 663 zertifiziert sind. Da die Zertifizierung von der niederländischen Gewerbeaufsicht, der Lebensmittel- und Warenaufsichtsbehörde, dem Ministerium für Volksgesundheit, Gemeinwohl und Sport, Klientenorganisationen und Krankenkassen anerkannt ist, steht die Finanzierung dieser Bauernhöfe auf einer soliden Basis. Landwirte, Gärtner, Sozialarbeiter, Pädagogen und Krankenpfleger können auf diesen Höfen ihren – wenn auch bescheidenen – Lebensunterhalt verdienen. Gleichzeitig kommen sie in den Genuss einer ökologischen und sozialen Lebensfülle, die es in konventionellen Betrieben nicht gibt. Und genau dies ist die Motivation der Beteiligten: für ein Genug im finanziellen Bereich ein Mehr im ökologischen und sozialen Bereich realisieren. Das schenkt unterm Strich mehr Zufriedenheit, mehr Lebenstiefe, mehr Glück und inneren Reichtum. Unter dem Begriff Green Care fasst man all jene Aktivitäten zusammen, die mit der Förderung der physischen, psychischen und geistigen Gesundheit zusammenhängen und einen sozialen und pädagogischen Rahmen bieten für Zielgruppen, die ein geschütztes Umfeld brauchen. Viele Green Care Bauernhöfe sind Kleinbetriebe, in denen neben den genannten gesundheitlichen und sozialen Zielen auch ökologische Ziele wichtig sind: man möchte nachhaltig, teilweise auch biologisch produzieren; eine artgerechte Tierhaltung und ein vielfältiges Pflanzensortiment stehen hoch auf der Agenda; direkter Kontakt mit den Verbrauchern und der Aufbau lokaler Lebensmittelnetzwerke tragen dazu bei, dass natürliche Ressourcen nicht länger verschwendet werden. Auch für das Erreichen dieser ökologischen Ziele werden neue Finanzierungsmodelle eingesetzt. So können Konsumenten Verantwortung und Risiken mittragen, wenn sie den „eigenen“ Bauern oder Gärtner im Voraus für die Jahresern20 SCHWERPUNKT JESUITEN n DEZEMBER 2016 n GENUG Mehr Zufriedenheit, mehr Lebenstiefe, mehr Glück und innerer Reichtum

te bezahlen. Auf diese Weise hat der Bauer oder Gärtner mehr finanzielle Sicherheit und bietet „seinem“ Konsumenten im Gegenzug Einblick in seine Buchhaltung sowie Mitspracherecht in der Produktionsweise. Auch christliche Orden und Kongregationen beteiligen sich an diesen Betrieben. Ein Vorzeigebetrieb in dieser Hinsicht ist Die Arche in Haarlem, die letztes Jahr ihre Arbeit aufgenommen hat. Die Schwestern des Guten Hirten stellten ihr ehemaliges Klostergelände für diesen Betrieb zur Verfügung und Mitglieder der international bekannten Archegemeinschaft arbeiten hier mit einer Gruppe von geistig Behinderten oder Menschen mit beginnender Demenz zusammen. Dabei werden sie unterstützt von professionellen Gärtnern und Sozialarbeitern. „Es geht um den Kontakt zwischen Menschen mit und ohne Behinderung,“ sagt Ties Betjes, der Gärtner in Haarlem, „und darum, sich wohl zu fühlen bei der Arbeit.“ Jemand kann z.B. nicht harken oder Unkraut jäten, aber er fährt gern mit der Schubkarre. Die Freude hieran, die soziale Verbundenheit, die Verbundenheit mit der Natur – auch dies sind Dinge, die man hier „ernten“ kann. Elisabeth Hense © fotolia/Alexander Raths 21 JESUITEN n DEZEMBER 2016 n GENUG

Ins Hören kommen und bleiben Nach Jesu Tod am Kreuz lebten die Jünger in großer Angst. Unter ihnen Kleopas, der spätere Bischof von Jerusalem, und Maria, die Frau des Klopas, die mit der Mutter Jesu und Maria Magdalena bis zum Tod bei Jesus blieben (Joh 19,25). Nach den Feiertagen erreichte die Zurückgezogenen die unglaubliche Nachricht: Jesus lebt! Bald darauf ging Kleopas – wenn wir uns an der unterschiedlichen Schreibweise des Namens nicht stören – mit seiner Frau Maria nach Emmaus, um einmal miteinander unter vier Augen über diese neue Nachricht zu sprechen. Sie verließen die große Runde und gingen zurück nach Hause (Lk 24,13). Im 3. Jahrhundert wurde eine Kirche über ihrem Haus gebaut, etwa 32 km von Jerusalem entfernt. Nach dem historischen Emmaus wird weiter gegraben. Unterwegs stoßen die beiden auf einen Fremden, dem Kleopas erst etwas überheblich antwortet: „Bist du der einzige, der in Jerusalem weilt und nicht weiß, was dort in diesen Tagen geschehen ist?“ Dieses spontan überhebliche Verhalten gegenüber Fremden erleben wir auch heute. Kleopas besinnt sich aber. Er erzählt ihm von der Hinrichtung Jesu und den enttäuschten Hoffnungen der Jünger. Dann kommt eine typische Antwort der „Straße“, auf der uns auch heute noch Jesus begegnet, der Straße, Wahrheit und Leben ist (Joh 14,6). Der ihnen fremde Mensch erinnert an die Aussagen der Propheten, die sie jetzt nicht nur mit dem Kopf, sondern mit ihren Herzen hören, bis sie brennen. In Emmaus angekommen, wollen sie dem Fremden weiter zuhören und nötigen ihn zu bleiben. Er willigt ein und wird zum Gastgeber, der ihnen das Brot bricht. Dieser Rollenwechsel kennzeichnet gute Gespräche, bei denen sich das Gefälle zu einem Hilfsbedürftigen umdreht und dieser über alle Grenzen hinweg auf Augenhöhe reden kann. Beim Brotbrechen, diesem Zeichen des Teilens, erinnern sich die beiden Jünger an Jesus und erkennen ihn im Fremden. Doch dann sehen sie ihn nicht mehr. Sofort, noch in der Dunkelheit der Nacht, kehren sie nach Jerusalem zurück und gehen an all den Orten vorbei, wo ihre Herzen anfingen zu brennen. Als sie in die bleibende Gemeinschaft mit Jesus, in den Kreis der Jünger und Jüngerinnen zurückkommen, erzählt Petrus von seiner Begegnung 22 JESUITEN n DEZEMBER 2016 n GENUG GEISTLICHER IMPULS In der Begegnung mit dem Fremden zu Hörenden werden

mit dem Auferstandenen. Die beiden können ihm jetzt zuhören und sagen ihm wohl: Wir glauben dir, denn wir erlebten Ähnliches. Der Evangelist Lukas erzählt weiter: „Noch während sie miteinander redeten, trat Jesus selbst in ihrer Mitte und sprach zu ihnen: „Friede sei mit euch!“ Jetzt erzählen die Versammelten nicht mehr von gestern. Jesus der Friedensbringer, den Lukas am Anfang seines Evangeliums ankündigte: „Frieden den Menschen seiner Huld“ (Lk 2,14), ist nun mitten unter ihnen. Erstaunlicherweise wird in den liturgischen Texten sein Kommen beim Erzählen der Emmausgeschichte weggelassen, in der wir dann seine Anwesenheit in der Eucharistie oder beim Abendmahl feiern. Mit dieser Nachricht beginnt die Lesung an einem anderen Tag. Da Kleopas und Maria in der Begegnung mit dem Fremden zu Hörenden wurden, das Wunder der Auferstehung erlebten und sie bei der Rückkehr in die durch Jesus eröffnete Gemeinschaft – ihr neues zu Hause – offen für neue Begegnungen blieben, konnten sie nun Petrus zuhören. Die Tür für das neue Kommen Jesu blieb offen. Damit wird die Geschichte zum helfenden Impuls, nach der intensiven Wahrnehmungszeit während der (Straßen-)Exerzitien auch im Alltag hörend zu bleiben. Christian Herwartz SJ Ikone von Br. Ansgar Stukenborg OSB aus dem Kloster Nütschau (nach einer unbekannten Vorlage)

DER NEUE GENERALOBERE Padre Arturo: humorvoll, freundlich, kompetent Als ich Anfang der 90er Jahre zum Studium nach Venezuela kam, wurde heftig im ganzen Land über einen möglichen Militärputsch spekuliert. Als Neuankömmling fragte ich den landesweit anerkannten Politologen und meinen Kommunitätsoberen Arturo Sosa SJ nach diesen Putschgerüchten und bekam als Antwort: „Da gibt es eher einen Militärputsch in Deutschland als in Venezuela.“ Ich war beruhigt. Einige Wochen später fragte Arturo beim Abendessen in die Runde: „Wisst ihr, ob morgen eine Militärparade angesetzt ist? Da sind so viele Militärfahrzeuge auf den Straßen.“ Nach kurzem Nachdenken wurde diese Frage in der Runde verneint. Drei Stunden später, es war der 4. Februar 1992, wurden wir von Maschinengewehrfeuer geweckt. Unter Anführung des damaligen Oberstleutnants und späteren Präsidenten Hugo Chávez versuchten die Putschisten vergeblich, den Präsidentenpalast einzunehmen, der ca. 800m von unserer Kommunität entfernt ist. Gemeinsam mit Padre Arturo haben wir noch oft im Nachhinein über diese Geschichte gelacht. Das ist eine Charaktereigenschaft unseres neuen Pater Generals: Er hat Humor und kann auch über sich selbst lachen. Von 1991 bis 1997 lebte ich mit Padre Arturo in einer Kommunität in Caracas. In der Kommunität war er mein Oberer und im Sozialzentrum Centro Gumilla mein Chef. Während meines zweiten Aufenthaltes von 2000 bis 2007 in Venezuela war er die ersten Jahre mein Provinzial vor Ort, bevor er in Táchira die katholische Universität neu gründete und aufbaute. Arturo ist auf nationaler Ebene sehr bekannt und präsent in den venezolanischen Medien. Trotzdem ist er nie „abgehoben“, sondern blieb für alle immer Padre Arturo, ein Name, den er ja auch als Generalsobere der Gesellschaft Jesu behalten möchte. Er hat eine große Fähigkeit, mit anderen Menschen in Beziehung zu treten. Er lässt sich immer ganz auf sein Gegenüber ein, egal ob er mit unserer Köchin Mercedes Kochrezepte austauscht, mit dem Präsidenten der Republik hohe Politik diskutiert, dem Kleinganoven im Barrio ins Gewissen redet oder einen schwierigen Mitbruder besänftigt. Auch als Professor, Provinzial oder Universitätsrektor hat er den Kontakt zu den Armen nie abreißen lassen. Immer hatte er ein pastorales Standbein unter den marginalisierten Bewohnern der Barrios. Die Nähe zu den Armen, der Dienst am Glauben sowie die Förderung der Gerechtigkeit im Kontext der kulturellen Vielfalt durchziehen sein Leben. Das Thema seiner ersten Predigt als Generaloberer – „Glauben heißt: Das Unmögliche versuchen, das Unmögliche hoffen“ – hat er als Oberer, Werksdirektor und 24 JESUITEN n DEZEMBER 2016 n GENUG

Provinzial selbst gelebt und immer versucht, auch die anderen darin zu ermutigen. Er hat die Fähigkeit, die Realität zu durchdringen, Potentiale und neue Wege zu entdecken und strategische Visionen zu entwickeln. Dabei bezieht er andere immer mit ein, um eine konsensfähige Entscheidung herbeizuführen, die er anschließend kompetent umsetzt. Beeindruckt hat mich der apostolische Planungsprozess der venezolanischen Provinz, an dem auch ich teilhaben durfte. Von Beginn an wurden auch nicht-jesuitische Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verantwortlich einbezogen, und er übertrug die Koordination des Prozesses einer Frau, was für manchen Jesuiten nicht einfach war. Auch als Pater General bleibt er für mich Padre Arturo, der den Mitbrüdern, den Mitarbeitern und den Menschen in seiner Umgebung nahe ist und dem ich zutraue, die Gesellschaft Jesu auch in komplexen Situationen zu führen und aus seinem Glauben sowie der gemeinsamen Unterscheidung heraus neue Visionen für den Orden zu entwickeln. Klaus Väthröder SJ 25 JESUITEN n DEZEMBER 2016 n GENUG © SJ-Bild Pater General Arturo Sosa SJ

Neues aus dem Jesuitenorden Priesterweihe in Innsbruck Sechs Jesuiten sind am 17. September in der Jesuitenkirche in Innsbruck vom Linzer Diözesanbischof Dr. Manfred Scheuer zu Priestern geweiht worden. Fünf Neupriester kommen aus der Deutschen Provinz: Markus Dreher SJ (41) aus Württemberg, Stefan Hofmann SJ (38) aus der Oberpfalz, Marco Hubrig SJ (35) aus Sachsen, Simon Lochbrunner SJ (33) aus Schwaben sowie Hans-Martin Rieder SJ (36) aus Niederbayern. Für die Österreichische Provinz wurde Robert Deinhammer SJ (39) aus Salzburg geweiht. Zur Priesterweihe waren rund 1.000 Gäste gekommen. In seiner Predigt wies Bischof Scheuer auf den Dienstcharakter der ignatianischen Spiritualität ein. „Nicht begrenzt werden vom Größten und dennoch einbeschlossen im Kleinsten, das ist Göttlich“, zitierte er die Grabschrift des Hl. Ignatius von Loyola. Gott lasse sich finden mitten in der konkreten Welt und im Dienst für Andere. Er bitte die Jesuiten um Stellvertretung im christlichen Sinn, sage Scheuer, „dass sie stellvertretend Räume der Gastfreundschaft, des Gebetes, der Liebe und der Hoffnung offen halten, Menschen mitnehmen auf ihrem Weg, helfen, die Lasten der Menschen und der Kirche zu tragen“. NACHRICHTEN 26 JESUITEN n DEZEMBER 2016 n GENUG Priesterweihe in Innsbruck (v.l.n.r.): Simon Lochbrunner, Stefan Hofmann, Robert Deinhammer, Bischof Manfred Scheuer, Markus Dreher, Marco Hubrig und Hans-Martin Rieder © SJ-Bild/Stübner

Noviziat der Jesuiten – jünger und internationaler Am 18. September sind sieben Novizen in das Noviziat der Jesuiten in Nürnberg eingetreten: vier für die Deutsche Provinz, einer für die Österreichische Provinz, einer für die Litauische Provinz und einer für die Ungarische Provinz. Zusammen mit den sechs Novizen, die bereits das zweite Jahr absolvieren (einer aus der Schweiz, einer aus Litauen, einer aus Ungarn, drei aus Deutschland), sowie fünf Jesuiten, die in der Ausbildung der Novizen mitwirken bzw. mit anderen Aufgaben im Haus leben, wächst die Kommunität damit von zwölf im Sommer auf jetzt 18 Mitbrüder an. Auch die internationale Prägung des Noviziates hat zugenommen, seitdem im letzten Jahr Litauen (mit Lettland) und seit diesem Jahr Ungarn ihre Kandidaten nach Deutschland schicken. „Die Sprache und das Miteinander von Menschen unterschiedlicher Herkunft sind Herausforderung, aber viel mehr noch Bereicherung“, meint der Novizenmeister Thomas Hollweck SJ, der seit Juli 2015 im Amt ist und sich über die geografische und personelle Erweiterung erfreut zeigt. Das Alter der Novizen reicht von 20 bis 39. Das Durchschnittsalter lag in den letzten beiden Jahren konstant bei 33, sinkt aber in diesem Jahr spürbar auf unter 29. Die Biografien der Novizen sind sehr unterschiedlich. Was sie vorher gemacht haben, reicht von abgeschlossenen Studien über technische oder soziale Berufe bis hin zur Tätigkeit als Priester in einer Diözese. Einige haben bereits Erfahrungen in anderen Ländern gesammelt. Eine Woche zuvor hatten zwei junge Jesuiten die Zeit der Vorbereitung und der Klärung abgeschlossen und ihre Ersten Gelübde abgelegt, einer für die Deutsche und einer für die Schweizer Provinz. Anschließend ging es für die neuen „Scholastiker“ weitere an verschiedene Orte: Helmut Schumacher SJ wird in Innsbruck studieren und in der Jugendarbeit mitwirken, Julien Lambert SJ wird in Paris die Theologie studieren. 27 JESUITEN n DEZEMBER 2016 n GENUG © SJ-Bild/Heilmann Die Hausgemeinschaft im Noviziat in Nürnberg (jeweils v.l.n.r.): Hintere Reihe: Simon Lochbrunner, Lukas Kraus, Arndt Gysler, Jonas Linz, Jonathan Gardy, Christian Mario Hess, Lukuas Ambraziejus. Mittlere Reihe: Manfred Grimm, Árpárd Tóth, Dag Heinrichowski, Ludwig Dehez, Mathias Werfeli. Vordere Reihe: Thomas Hollweck, Gerald Baumgartner, Ferenc Kiss, Donatas Kuzmickas, Jörg Alt

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