Jesuiten 2016-4

Wo Zufriedenheit herkommt Woher kommt Zufriedenheit sprachlich? „Zufrieden“ ist ursprünglich kein Zustandswort, sondern benennt den Vorgang, wie wir selbst „zu Frieden kommen“ oder andere “zu Frieden bringen“, also eine zielgerichtete Bewegung. Das Ziel des Friedens (Ruhe, Schweigen der Waffen, sichere Grenzen) und das zu verschmolzen in der Sprachgeschichte zu einem Wort: zufrieden. Zufrieden wie ein gestilltes Baby können auch Erwachsene sein, wenn Bedürfnisse befriedigt sind, Bedürfnisse nach Bindung, Sicherheit, Nahrung, Sexualität, Nähe, Sauberkeit und Kleidung. Vor einigen Jahren drückte mir eine Mutter ihren Säugling mit dem Fläschchen in die Hand, während sie selbst einen wichtigen Termin hatte. Ich gab dem Baby die Flasche: Es nuckelte, beruhigte sich, fing dann aber an zu schreien. Die Sequenz Nuckeln – Beruhigung – Schreien wiederholte sich noch einige Male. Der Säugling konnte mir nicht sagen: „Da kommt gar keine Milch heraus!“. Weder Baby noch Babysitter waren zufrieden – ich hatte nicht darauf geachtet, ein kleines Verschluss-Plättchen zu entfernen. Zum Glück ist aus dem Baby inzwischen ein großer und kräftiger Mann geworden. Die meisten Bedürfnisse teilen wir mit den uns verwandten Säugetieren. Tiere und Menschen können in der Regel gegenseitig spüren, ob sie zufrieden sind oder nicht. Wo aber liegt der Unterschied zwischen Tier und Mensch? Unser menschlicher Instinkt ist nicht so gut wie der unserer tierischen Mitgeschöpfe. Zwar bewegen wir uns wie die Tiere aus unserer Mitte heraus auf Ziele zu, die uns zufrieden machen. Aber zugleich sind wir in der Lage, unser Bewegen und Wahrnehmen zu beobachten, zu reflektieren. Außerhalb unserer Mitte haben wir einen zweiten, einen „exzentrischen“ Standpunkt (Helmuth Plessner), der es uns möglich macht, über die jetzige Situation hinauszudenken – was aber auch Unsicherheit, Heimatlosigkeit, Scham mit sich bringt. Wir sind in „animalischer“ Weise triebgesteuert („spitz wie Nachbars Lumpi“), aber auch „Neinsagenkönner“, wie Max Scheler sagt. Aus der menschlichen Heimatlosigkeit, aus unserem Neinsagenkönnen ergibt sich, dass Befriedigtsein und Zufriedensein nicht dasselbe sind. Sicher: wir kennen den behaglichen Zustand des Satt-, Entspannt- und nicht-mehr-Durstigseins, vielleicht auch des Rausches. Letzterer macht vorüberge4 SCHWERPUNKT JESUITEN n DEZEMBER 2016 Augustinus: „Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir!“

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