Jesuiten 2017-1

Tomsk 2017: Ökumenische Herausforderungen Wer Bilder von goldenen Zwiebelkuppeln vor Augen hat, der kann leicht übersehen, dass Russland ein multireligiöses Land ist. Insbesondere die Rolle der Muslime ist nicht zu unterschätzen, auch bei uns in Tomsk nicht, immerhin war die Region bis Anfang des 17. Jahrhunderts weitgehend tatarisch geprägt, und bis heute gibt es in der Umgebung ein paar Dörfer, die weithin sichtbar vom Minarett überragt werden. Aber auch Judentum und Buddhismus (letzterer vor allem in Ostsibirien) werden seit 1997 als „traditionelle Religionen“ gesetzlich anerkannt. Nicht ganz so leicht haben es die verschiedenen christlichen Konfessionen. Im Grunde gelten wir alle als Sektierer – Katholiken natürlich nicht ganz so sehr, aber Baptisten, Pfingstler, Lutheraner ganz eindeutig. Zahlenmäßig sind wir in der Tat sehr kleine Gruppen. Wenn man auch sagen muss, dass in verschiedenen sibirischen Städten vor 1917 teilweise bis zu 30% der Bevölkerung katholisch waren, so haben doch die stalinistischen Massenmorde, der Exodus der Polen in den 20er und der Exodus der Deutschen, Ukrainer und Litauer in den 90er Jahren ganze Arbeit geleistet. Heutzutage gehen wir davon aus, dass auf dem Gebiet der Stadt und Oblast Tomsk, also auf einer Fläche, die fast so groß wie Polen ist, bei 1,2 Millionen Einwohnern etwa 10.000 Menschen leben, die sich selbst als katholisch betrachten. Von diesen kommen gut 300 regelmäßig zum Gottesdienst, etwa 150 kommen, wann immer ein Priester ihr Dorf besucht, und noch einmal etwa 500 Leute kommen gelegentlich zum Gottesdienst. Wir leben also in einer Umgebung, in der Katholiken (und erst recht Protestanten) im Bewusstsein der Mehrheit kaum vorkommen. Das ist vielleicht das größte Hindernis für ökumenische Begegnung. Deshalb sind wir froh, dass wir mit den Orthodoxen wenigstens in manchen Bereichen zusammenarbeiten. Vor allem haben wir jedes Jahr ein gemeinsames Ferienlager mit Behinderten und Nichtbehinderten, und wir besuchen gemeinsam ein Heim für Behinderte. Dabei haben wir dann auch 18 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2017 n ÖKUMENE? © Stefan Weigand Viele Leute merken, dass man mit uns Katholiken ins Gespräch kommen kann.

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