Jesuiten 2017-1

Die Gewissens-App „App, was meint das eigentlich?“ Es ist schon etwas länger her, dass ich diese Frage gestellt habe. Aber ich erinnere mich noch genau, mein jüngerer Mitbruder erklärte mir milde lächelnd und in einer Sprechgeschwindigkeit, die mich nicht überfordern sollte: „App, das ist eine Abkürzung für Application und heißt Anwendung. Apps sind kleine Programme, die du auf dein Handy laden kannst.“ – „Aha. Und welche zum Beispiel?“ – Weiter milde lächelnd: „Je nachdem, was du eben anwenden möchtest. Möchtest du Bücher auf deinem Handy lesen, brauchst du eine Lesebuch-App, willst du dein Handy auch als Navi nutzen, lädst du dir eine Navigations-App herunter, und wenn du Vokabeln lernen willst, dann halt irgendeine Sprachlern-App.“ Apps dienen der Lösung von Nutzerpro- blemen, heißt es im Internet und es stimmt. „Wo ist nur die Schraudolphstraße, die muss doch hier irgendwo sein, gleich platzt mein Termin!“ Lösung: Navigationsapp! Und: „An Fremdsprachen muss man einfach permanent dran bleiben, sonst …“ Vokabeltrainer-App, weil die nächste UBahn erst in sechs Minuten kommt. Überrascht war ich, als ich in einem Buch auf das Wort „Gewissens-App“ stieß (Maximilian Probst, Verbindlichkeit, Rowolth 2016). Eine App, die meine Gewissensprobleme löst?! So weit geht der Autor nicht. Doch er meint, dass hinter so mancher App die Sehnsucht der Nutzer steht, zu einer Tugend zurückzufinden, deren Anwendung gerade nicht groß in Mode ist: Verbindlichkeit. Ja, es gibt eine ganze Reihe Apps, die unsere Selbstverbindlichkeit trainieren wollen. Ich sage meiner Fitness-App, wie oft und wie lange ich nächste Woche joggen will, und sie hilft mir dabei, mein Trainingsprogramm einzuhalten. Sie erinnert, lobt, tadelt mich, je nachdem, wie verbindlich ich meiner Absichtserklärung nachkomme. Also, warum das Ganze nicht GewissensApp nennen? Das Prinzip Hoffnung dazu genommen, bin ich zuversichtlich: Menschen, die gegenüber sich selbst verbindlich sein wollen, wollen das auch gegenüber anderen. Der heilige Ignatius kennt übrigens auch eine Gewissens-App. In seinem spirituellen Übungsprogramm, den Exerzitien, empfiehlt er dem Übenden, sie gleich zu Beginn zu „installieren“ (siehe „Besondere und tägliche Erforschung“, EB Nr. 24). Es ist ganz einfach: Man schreibt auf ein Blatt sieben kleine g untereinander und zieht von jedem g zwei waagrechte Linien aus. (Weniger wichtig, aber der Vollständigkeit halber: g steht für das italienische „giorno“, übersetzt: Tag.) Nun lässt Ignatius den Übenden eine Sün22 JESUITEN n MÄRZ 2017 n ÖKUMENE? GEISTLICHER IMPULS

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