Jesuiten 2017-3

Polarisierungen in Ungarn Die ungarische Gesellschaft ist in mehrfacher Hinsicht stark polarisiert. Es gibt keinen nennenswerten Dialog zwischen Regierung und Opposition. Zwar ist die Opposition zahlenmäßig klein, dafür ist sie dank der Medien lautstark auf nationaler und internationaler Ebene präsent. Sie ist jedoch gleichzeitig zutiefst gespalten. Die jetzige Regierung repräsentiert seit 2010 unverändert die Mehrheit, und es gibt keine echte Alternative zu ihr. Der Großteil der Bevölkerung hält die Berichterstattung der internationalen Medien über Ungarn für einseitig, voreingenommen und unglaubwürdig. In dieser Situation ist es besonders wichtig, dass die ungarische Provinz der Jesuiten versucht, ein Zeichen der Einheit zu sein. Sie konzentriert sich in ihrer Kommunikation auf die grundlegenden gesellschaftlichen Werte und bemüht sich, verschiedene Experten im Dienste des Gemeinwohls an einen Tisch zu laden. Als ihre besondere Aufgabe betrachtet sie die Förderung einer respektvollen DialogKultur. Anfang 2017 wurde darum eigens das „Institut der Gesellschaftlichen Reflexion“ gegründet. Erst kürzlich hat das Institut ein Dokument veröffentlicht, in dem sich 28 Autoren zu den gegenwärtigen gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen in Ungarn äußern. Im Herbst organisiert das Institut in Budapest drei größere Konferenzen über dieses Thema. In der Frage der Migranten und Flüchtlinge gibt es auch eine starke Polarisierung. Die Politik der kontrollierten Einwanderung, die in vielen Ländern als natürlich gilt, wird auch von der Mehrheit in Ungarn akzeptiert. Die Gegner dieser Politik sind eher diejenigen, die in der Tagespolitik ihre eigenen Parteiinteressen verfolgen: Für sie sind die Migranten und Flüchtlinge eher Mittel zum Zweck im politischen Spiel. Die wahre Frage ist, wie diese schwierige Situation auf menschenwürdige Weise gehandhabt werden kann. Der ungarische Jesuiten-Flüchtlingsdienst wurde 2015 gegründet. Er kümmert sich um Flüchtlinge, die in Ungarn bleiben wollen, deren Papiere in Ordnung sind und die tatsächlich auf Hilfe angewiesen sind. Des Weiteren arbeitet er mit den deutschen Jesuiten und deren Projekten zusammen. Seine Aufgabe in Bezug auf die ungarische Bevölkerung ist es, die christliche Antwort in der Flüchtlingsfrage konsequent zu vertreten. Das steht im Zusammenhang mit der stark gespaltenen Meinung über den Papst. Viele Katholiken sind unwillig, Franziskus in der Migrationsfrage zu folgen. Die ungarische Provinz sieht da eine „Sendung”, zum Wohle der Einheit der Kirche zu arbeiten. Szabolcs Sajgó SJ 5 JESUITEN n SEPTEMBER 2017 n POLARISIERT

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