Jesuiten 2017-4

Wählen Das Wort Anbetung löst ganz unterschiedliche Reaktionen aus. Von Begeisterung über Unkenntnis bis hin zur Irritation und Ablehnung ist dabei alles möglich – und dies auch, wenn man nur Katholiken damit konfrontiert. Stattdessen davon auszugehen, dass es sich bei Anbetung um ein Grundphänomen, eine allgegenwärtige Tätigkeit unseres menschlichen Alltags handelt, dürfte dagegen sicher die meisten zunächst einmal zum Kopfschütteln veranlassen. Der US-amerikanische Philosoph und Schriftsteller David Foster Wallace (1962-2008) hingegen betont in seiner Rede „Das hier ist Wasser/This is Water“ vor Hochschulabsolventen aus dem Jahr 2005 genau dies: Im alltäglichen Dahinleben eines Erwachsenen gebe es keinen Atheismus, keinen Nichtglauben. Denn jeder bete etwas an. Entscheidend sei einzig und allein die Frage, was jeder und jede von uns anbete. In aller Nüchternheit analysiert Wallace weiter, dass es ein nachvollziehbarer Grund sei, sich für die Ausrichtung dieser Anbetung einen Gott bzw. ein höheres Wesen auszusuchen. Dabei geht es Wallace an dieser Stelle in keiner Weise um einen Wahrheitsanspruch im Sinne von richtig oder falsch – dies sei letztlich nicht der springende Punkt. Aber alle anderen innerweltlichen Fixpunkte entfalteten eine selbstzerstörerische Dynamik für den Menschen, da irgendwann in Geld und Besitz, in Schönheit und Sex, in Macht und Einfluss – um nur einige Beispiele zu nennen – ein Riss des Ungenügens eindringe, der immer größer wird. Werde der Mensch sich dieses Bruches immer mehr bewusst, dann überfalle ihn Angst und Verzweiflung in dem Versuch, ihn zu kitten. Eine Verurteilung dieser Formen der Anbetung als böse oder sündig verbiete sich laut Wallace, da sie geradezu unbewusst zur angeborenen psychischen Standardeinstellung unserer Weltwahrnehmung – ich allein bin der Mittelpunkt der Welt – gehöre. In biblischen Worten ausgedrückt, dreht es sich hier um die Dynamik und Macht der unterschiedlichen Götzen, die ihren Einfluss auf den Menschen ausüben und ihn von Gott wegführen. Hier wird in verschiedenen Auseinandersetzungen immer wieder die offene Wahl des Menschen teils dramatisch geschildert. Eine 12 SCHWERPUNKT JESUITEN n DEZEMBER 2017 n ANBETUNG Wir müssen die Wahl unserer Perspektive immer wieder neu, immer wieder selbst treffen. © owik2/photocase.com

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