Jesuiten 2017-4

Sakrament des Augenblicks Ein schöner Sommerabend vor einigen Jahren. Ich bin ein junger Student. Seit etwas mehr als einer Woche bin ich im Haus Gries, einem von Jesuiten geleiteten Exerzitienhaus in Oberfranken. Wir sind ca. 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einem Kurs in kontemplativen Exerzitien. Tag für Tag sitzen wir in Stille auf unseren Kissen, Decken und Meditationshockern in der Kapelle und versuchen, uns mit unserem Leib und unserem Geist ganz auf Gott und Seine Gegenwart im Hier und Jetzt auszurichten. Das ist oft mühsam, denn durch das lange Sitzen zwickt es hier und da im Rücken und die Gedanken bedrängen einen am liebsten dann, wenn man es gerade geschafft hat, sie ein wenig zum Schweigen zu bringen. Innerlich richten wir uns aus, indem wir das Jesus-Gebet sprechen – eine sehr alte Gebetstradition, die bereits von den ersten Mönchen in den Wüsten Ägyptens und Syriens praktiziert wurde. Beim Einatmen beten wir still „Christus“, beim Ausatmen „Jesus“. Gerade haben wir Eucharistie gefeiert. Nun erläutert uns eine der beiden Exerzitienbegleiter, dass wir am morgigen Tag der Exerzitien den Nachmittag über gemeinsam meditieren werden und dass dabei auf dem niedrigen Tisch, der uns als Altar für die Eucharistiefeier dient, eine konsekrierte Hostie auf einer goldenen Patene liegen wird. Ich reagiere befremdet und frage mich: „Warum jetzt auf einmal eucharistische Anbetung? Das passt doch gar nicht hierher!“ Eucharistische Anbetung hatte in meiner eigenen religiösen Sozialisation keine Rolle gespielt und war für mich etikettiert als eine rückwärtsgewandte spirituelle Praxis. Zudem konnte ich, wenn ich mal an einer eucharistischen Anbetung teilnahm, mit den entsprechenden Gesängen oder Andachtstexten nichts anfangen. Und nun sollten wir morgen den halben Tag lang quasi eucharistische Anbetung machen, während wir meditieren? Ich ging mit einem gewissen inneren Widerstand in diesen letzten Nachmittag der Exerzitien. Doch der Widerstand löste sich im Lauf des Nachmittags überraschend, ganz ohne mein Zutun. In diesen Stunden in der Kapelle ging mir etwas sehr Wertvolles auf. Wenn ich mich auf Gott im Hier und Jetzt ausrichte, Seinen Namen anrufe, mein Herz erhebe und zulasse, wie Er sich mir jetzt schenken will, dann bete ich 16 SCHWERPUNKT JESUITEN n DEZEMBER 2017 n ANBETUNG Jeder Augenblick unseres Lebens ist geheiligt.

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