Jesuiten 2018-1

8 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2018 n KÖRPER Lebenszeichnungen Tätowierungen und Piercings machen jeden und jede von uns einzigartig, geben uns Zugehörigkeit. Sie sind Lebenszeichnungen. Sie erinnern uns nach Jahren an unsere Jugendsünden, an gebrochene Herzen und unsere Familie, unsere Cliquen. Dabei sind derartige Formen von Körperzeichnungen kein Phänomen heutiger Zeit. In der Antike bekamen Sklaven als Erkennungszeichen ein Holzstück ins Ohr. Heute wiederum lassen sich viele junge Menschen ihr Ohr dehnen und stecken sich einen Holztunnel/-stück hinein. So wurden Tätowierungen und Piercings in verschiedenen Formen als Status- oder Gruppenkennzeichen verwendet. Ich hatte und habe in meinem Leben einige Piercings gehabt. Die Narben oder der Schmuck erinnern mich an Tage, in denen ich es einfach haben wollte, weil es alle hatten. An Zeiten, in denen ich einer bestimmten Gruppe zugehörig sein wollte oder daran das ich Körperstellen, die mir nicht als schön vorkamen, verschönern wollte. Meine Tätowierungen kann ich an zwei Händen abzählen und mich an das Wachsen der ersten Idee und die Gedanken dahinter erinnern. Mein erstes Tattoo ließ ich mir gerade volljährig stechen. Es sollte mir Stärke geben. Stärke anderen Menschen gegenüber aufzutreten und dabei ich selbst zu bleiben. Eine Pusteblume mit den Namen meiner Patenkinder ist mein zweites Tattoo. Dieses soll mich immer an die Vergänglichkeit der Zeit erinnern und wie schön es sein kann, Momente mit Leichtigkeit zu nehmen und dabei alles zu genießen. Ein weiteres Tattoo soll mich an meine Herkunft erinnern – dies trage ich in der Nähe meines Herzens. Vor ein paar Jahren setzte ich mich mit einer Tätowierung, die für mich das Böse und Gute im Leben symbolisiert, auseinander. Ich konnte mich viele Monate nicht mit dieser Zeichnung identifizieren. Mein Leben hatte sich verändert. Ich fühlte mich unwohl in meiner Haut und dachte darüber nach, diese Tätowierung verändern oder entfernen zu lassen. Durch die Auseinandersetzung lernte ich meine Haut und die eingetragenen Zeichnungen des Lebens – Narben, Tattoos oder Verfärbungen – als ein Teil von mir zu sehen. Früher wollte ich bspw. meine Wachstumsstreifen an den Beinen übertätowieren lassen. Heute fühle ich mich wohl in und mit meiner Haut. Wir alle sind vom Leben gezeichnet, und bei den meisten Menschen sind diese Zeichen äußerlich nicht sichtbar. Egal ob nur innerlich oder auch äußerlich sichtbar, erscheint es mir wichtig, dass diese Zeichnungen des Lebens so angenommen werden, wie sie sind und als ein Teil des eigenen Lebens akzeptiert werden. Nadja Kurtova

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