Jesuiten 2018-1

Mut zur Zärtlichkeit Wie Nähe und Zärtlichkeit gut zu gestalten sind, darüber können wir viel von Jesus selber lernen. Denn er war fähig zu tiefen Gefühlen, drückte sie differenziert und situationsangemessen aus und kannte keine Berührungsängste. Er lässt sich anfassen und spürt, wie dabei „eine Kraft von ihm ausströmt“ (Mk 5,30). Er belehrt die Kindervertreiber eines Besseren (Mk 10,13–16). Er nimmt bei der Hand (Mk 5,41). Er berührt einen anderen mit einem Teig aus Speichel (Joh 9,6). Er lässt sich salben (Joh 12,1–11). Er wäscht die Füße (Joh 13,1–20). Er sucht am Ölberg die Nähe seiner Jünger (Mk 14,32–42). Er lässt seine Wunden berühren (Joh 20,27). Er haucht die Jünger an (Joh 20,22). Er hat beim Friedensgruß die anderen ja wohl umarmt (Lk 24,36). Seine Liebe lässt frei und führt in die Freiheit: „Wollt auch ihr gehen?“ (Joh 6,67), fragt er seine Jünger. Eine eindrucksvolle und anrührende biblische Geschichte ist die Begegnung des Auferstandenen mit Maria von Magdala (Joh 20,11–18). Offenbar will Maria den auferstandenen Christus für sich allein behalten. „Halte mich nicht fest“, sagt Jesus zu ihr, und nicht, wie es in manchen alten Übersetzungen hieß: „berühre mich nicht“. Es geht eben nicht darum, dass sie ihn nicht berühren dürfte. Was sie lernen muss, ist vielmehr: Liebe lässt frei! In dem Moment, wo sie versucht ist zu klammern, muss sie lernen, dass wirkliche Liebe ein Kind der Freiheit ist. Jesus ist – nicht nur, aber auch – ein zärtlicher Mann. Sein Umgang mit den Randgruppen und Ausgestoßenen der Gesellschaft, aber auch sein Umgang mit den Frauen in der Bibel zeigen, dass Gott den Menschen zärtlichliebevoll zugetan ist. Immer wieder neu ist Aufgabe und Herausforderung, menschliche Nähe sowohl in asymmetrischen wie in symmetrischen Beziehungen zuzulassen und zu gestalten. Fünfmal wird im neuen Testament der „heilige Kuss“ erwähnt. „Grüßt einander mit einem heiligen Kuss“ – so beendet Paulus etwa den zweiten Brief an die Korinther (2 Kor 13,12) und schreibt eben nicht: „Grüßt einander mit dem heiligen Händeschütteln“. Und der erste Petrusbrief endet: „Grüßt einander mit dem Kuss der Liebe“ (1 Petr 5,13). Dass solches in der Kirche irgendwann wieder möglich und nicht auf die Dauer verpönt sei oder unter Generalverdacht steht, ist zu hoffen und zu wünschen. Hermann Kügler SJ 18 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2018 n KÖRPER Jesus ist – nicht nur, aber auch – ein zärtlicher Mann.

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