Jesuiten 2018-3

Alle Wege führen nach Rom Zugegeben – es ist ein Privileg in einer Stadt zu leben, in der Millionen andere Urlaub machen. Wenn ich meine Kommunität verlasse, strömen Touristen mit offenen Augen und Mündern an mir vorbei und bestaunen die Schönheit der Ewigen Stadt. Und auch ich bestaune sie, die antiken, romanischen und barocken Gebäude und Kirchen oder das, was man noch von ihnen sieht. Von Goethe ist folgendes Zitat überliefert: „Ich kann sagen, dass ich nur in Rom empfunden habe, was eigentlich ein Mensch sei. Zu dieser Höhe, zu diesem Glück der Empfindung bin ich später nie wiedergekommen.“ Nun ja – ganz so stark möchte ich es nicht formulieren. Ganz sicher ist Rom nicht die Welt – aber die Welt ist in Rom. Diese Stadt ist ja nicht nur Hauptstadt Italiens und damit Bühne sämtlicher politischer Debatten dieses Landes. Aufstieg und Fall so mancher Regierung kann man hier hautnah erleben. Mit all der inzwischen oft zynischen und wenig lustigen Schärfe, die dies beinhaltet. Rom ist die Hauptstadt der katholischen Kirche – den Vatikan in greifbarer Nähe; und damit ist Rom auch Hauptstadt des Gesellschaft Jesu. Die Nähe zur Generalskurie ermöglicht es, mit Mitbrüdern im Gespräch zu sein und aktuelle Diskussionen mitzuerleben. Mit etwa 500 Mitbrüdern aus allen Kontinenten (na gut – die Antarktis fehlt) stellt Rom nicht nur die größte Jesuitenpräsenz weltweit an einem Ort, sondern auch die internationalste dar. Wenn ich dabei Prozesse der Unterscheidung und Entscheidung beobachte oder darin involviert bin, bekomme ich eine Ahnung davon, wie anstrengend es auf politisch internationaler Ebene sein muss. Diskussionen, Abwägungen und letztlich immer wieder das Ringen um einen Kompromiss, mit dem alle leben können: das erlebe ich hier in Rom hautnah. Auch bei mir im Haus, einer Kommunität mit 75 Mitbrüdern aus mindestens 40 Ländern. Aber gerade dies macht uns als Jesuiten ja aus: einerseits das eigene Haus verlassen und in die Welt gehen, anderseits die Welt im eigenen Haus willkommen heißen. Das ist nie ohne Spannung und jeder Kompromiss fordert es ein, zurückzustecken und um des größeren Ganzen wegen auch mal zu verzichten. Zu begreifen, was der andere will, ist auch nicht immer so leicht. Um hier nicht vorschnell defensiv zu reagie- 8 SCHWERPUNKT JESUITEN n SEPTEMBER 2018 n DIE WELT – UNSER HAUS Zu begreifen, was der andere will, ist auch nicht immer leicht.

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