Jesuiten 2018-3

12 JESUITEN n SEPTEMBER 2018 n DIE WELT – UNSER HAUS SCHWERPUNKT Eine Christin darf niemals Nationalistin sein! Kann eine Christin Nationalistin sein? Natürlich. Es gibt eine Reihe von Menschen, die sich im politisch rechten Spektrum bewegen und sich zum Christentum bekennen. Alice Weidel etwa antwortete einst auf die Frage, woran sie glaube: „An Jesus Christus.“ Den Glauben kann ihr niemand absprechen. Ihre politische Verortung in der AfD allerdings auch nicht. Man kann also beides sein: Christin und Nationalistin. Doch „Können“ im Sinne von „in der Lage sein“ ist nicht dasselbe wie „Können“ im Sinne von „darf das sein?“. Alfred Delps Antwort war klar: Das kann, das darf nicht sein: „Ein Christ kann niemals Nationalist sein.“ Das zu sagen, war mutig zu seiner Zeit. Damals, in der NaziDiktatur. Als Delp Juden half. Und sich in Lebensgefahr brachte. Als er unbeugsam war. Und hingerichtet wurde. „Wo Konflikt ist, muss gefochten werden, ohne Kompromiss und Feigheit.“ Danach lebte der Jesuit. Deshalb starb er. Wie leicht wäre es, heute zu sagen, ein Christ kann niemals Nationalist sein! Wie einfach wäre es, kompromisslos und mutig zu sein! Doch wie feige wir sind. Ohne aufrechten Gang. Ohne Rückgrat. Wir hängen unser Fähnlein nach dem Wind. Und laufen rechten Parolen hinterher. Wir kleben an der Macht. Und schauen weg. Wir sprechen von „Illegalen“. Und meinen Menschen. Wir reden von „Rückführung“. Und meinen Abschottung. Wir bauen Abschiebegefängnisse in der Nähe von Flughäfen; dort, wo andere in die Ferien fliegen. Und erkennen nicht, wie zynisch das ist. Wir reden von „Anker-Zentren“, „Ausschiffungsplattformen“. Und meinen geschlossene Lager, Gefängnissen gleich. Wir wollen solche Lager. In Europa. Und Nordafrika. Und nennen das eine „gute Botschaft“. Als ginge es um uns. Und nicht um Flüchtlinge. Wir schotten uns ab. Und kümmern uns nicht um das Schicksal von Menschen: den gefolterten Mann; die vergewaltigte Frau; das traumatisierte Kind. Wir lassen Schutzsuchende im Mittelmeer ertrinken. Und ignorieren die völkerrechtliche Pflicht zur Rettung von Menschen in Seenot. Wir verweigern Rettungsschiffen das Anlegen in europäischen Häfen, ja, wir erstatten sogar Strafanzeige gegen die Crew. Und stellen uns taub, wenn die UNO uns warnt. Wir nehmen Leiden und Tod von Geflüchteten in Kauf. Und sehen weg. Wir sagen, „Recht und Ordnung müssen in diesem Land wiederhergestellt werden“. Und vergessen, dass auch Artikel 1 des Grundgesetzes zu diesem Recht gehört, © Margie/photocase.com

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