Jesuiten 2018-3

6 SCHWERPUNKT JESUITEN n SEPTEMBER 2018 n DIE WELT – UNSER HAUS Europa – ein fragmentierter Ort In den letzten Jahren gab es einen großen Umbruch in der europäischen Politik. Jahrzehntelang schien sich Europa zu einem kohärenteren Ganzen zusammenzuschließen. Jetzt aber hatten wir die Abstimmung über den Brexit, haben den Umbruch in Katalonien und haben immigrationsfeindliche sowie nationalistische Bewegungen in vielen Ländern. Wie lassen sich die heutigen Tendenzen zu Fragmentierung und Nationalismus erklären? Liegt es daran, dass Menschen sich in einer globalisierten Welt verloren fühlen und ihre Identität betonen müssen? Ist es die Tatsache, dass die Europäische Union als zu weit weg und bürokratisch angesehen wird? Hat sich Europa mit der Globalisierung überfordert und ist das eine natürliche „Korrektur“? Ist das weltweite politische System gebrochen und die Migration das dramatischste Symptom? Aus der Asche des Zweiten Weltkriegs wurde die Europäische Union geboren. Es gab einen Paradigmenwechsel in Bezug auf die gemeinsame Nutzung der natürlichen Ressourcen. Was auch immer das Problem war, Zusammenarbeit und Dialog waren die Lösungen. Ein neues Europa wurde erdacht. Aber dieser Krieg ist jetzt nur noch eine ferne Erinnerung. Der Gründungsmythos der EU funktioniert sowohl für junge Menschen wie für die älteren Generationen schlecht. Es ist klar, dass Europa eine neue Erzählung braucht. Die Kirche und ihre Soziallehre spielen eine wichtige Rolle bei der Gestaltung dieser neuen Erzählung. In der Gesellschaft Jesu gehen wir gegen diese Flut des spaltenden Nationalismus vor. Die fünf Provinzen Spaniens haben sich 2014 zusammengeschlossen. Ungarn, Österreich, Deutschland, Litauen-Lettland und die Schweiz sollen in wenigen Jahren eine neue Provinz bilden. Russland wird sich mit Nord-Polen und die Ukraine mit Süd-Polen verbinden. Durch aufmerksamen Dialog, nicht ohne Spannungen, wird eine neue Zukunft erdacht. Aktives Zuhören und kontemplativer Dialog sind die Werkzeuge, die wir brauchen, mit Respekt als starkem Fundament. Unsere Mission ist Versöhnung. Wir wollen sie praktizieren, modellieren und fördern. Es gibt eine Vielzahl von Faktoren, die die Provinzen zusammenbringen. Wir sind uns bewusst, dass wir eine globalere Perspektive brauchen, um die Probleme anzugehen. Wir sehen, dass die Horizonte der Provinzen zu klein sein können. Ein Provinzial kann etwas entscheiden, was wie eine wichtige Initiative in seiner Provinz aussieht; aber wenn er das Blickfeld auf einen größeren geographischen Kontext erweitert, sieht er, dass er eine andere Entscheidung treffen muss. Das ist die ignatianische Einladung des 21. Jahrhunderts: das Allgemeinwohl ernst zu nehmen,

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