Jesuiten 2019-1

12 JESUITEN n MÄRZ 2019 n ABERGEISTER SCHWERPUNKT Die Dinge beim falschen Namen nennen Das erste, was im Koran Aufmerksamkeit erregt, ist der Ehrentitel, der dem Menschen verliehen wird: khalifa, (2,30). Das heißt Stellvertreter, derjenige, der den Willen Gottes erfüllt und Harmonie in der Welt garantiert. Der göttliche Wille hat zwei Ebenen: die allgemeine kosmische Ebene, auf der alles Gott unterworfen ist. Die zweite Ebene ist die ethische, die sich durch den Menschen und den freien Willen verwirklicht, was die Möglichkeit von Rebellion, Disharmonie und Gewalt bedeutet. Dieses gefährliche Potential hat die Engel erschreckt, die nur die Zerbrechlichkeit des Menschen in seiner scheinbaren Zusammensetzung, das heißt den Staub, gesehen haben, ohne seine verborgene Dimension, den göttlichen Atem zu bemerken. Der Koran hebt die Macht der Namen hervor, die Adam gegeben wurden: Gott „lehrte Adam alle Namen“, (2,31), als eine kognitive Kraft, die es ihm erlaubt, seine Rolle als Stellvertreter Gottes und kosmischer Verantwortlicher auszuüben. Das Benennen ist ein Akt der Gerechtigkeit, der das Gleichgewicht zwischen Realität und Denken, zwischen der inneren Welt und dem, was den Menschen umgibt, garantiert. In der Verwirrung und Abwesenheit einer logischen Ordnung von Namen und Werten macht Ethik keinen Sinn, denn alles wird nur hypothetisch möglich. Adam riskiert wegen seiner Vergesslichkeit und Zerbrechlichkeit, aber auch wegen seines Stolzes und Egoismus oft, seine Vision und Position zu verlieren, wenn er den Dingen nicht die richtigen Namen gibt. Adam verliert seine Macht, wenn er sie schlecht benutzt oder nicht mehr weiß, wie man sie beMit dem trügerischen Gebrauch von Worten versucht der Mensch, den Skandal zu verbergen, oder noch schlimmer, die hässliche Realität zu verschönern.

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